Hereinspaziert!

von Redaktion

Vor dem Start der Sommerpause: Auf zum Bummel durch Münchner Galerien

VON KATJA KRAFT

Und plötzlich ertappt man sich dabei, ein bisschen zu schwelgerisch über die Lockdown-Zeiten zu reden. Der Mensch, das verdrängende Wesen. Kaum ist etwas Zeit ins Land gegangen, klingen die Gespräche über die Corona-Jahre wie nostalgisch verklärte Ferienlager-Anekdoten. „Weißt du noch, als wir um Punkt 21 Uhr zur Sperrstunde daheim sein mussten?“ oder „Erinnert ihr euch, wie wir uns nur zu viert treffen durften?“ Und dann natürlich der selbstkritische Blick auf die Was-von-den-Lockdown-Vorsätzen-übrig-blieb-Bilanz. Was hatte man sich alles vorgenommen für die Zeit, „wenn Corona endlich rum ist“. Weniger hetzen, mehr den Moment erleben. Und auf jeden Fall: weiterhin spazieren gehen. „Das tut so gut!“ Tut’s wirklich. Deshalb sei dies eine freundliche Erinnerung: Hinein in die Gummistiefel und hinaus zum Bummel durch die Nachbarschaft! Wer noch spannende Anlaufpunkte sucht: Hier finden Sie unsere Tipps zum Galerie-Spaziergang, ehe die Kunst-Ferien beginnen. Und es erst im Herbst wieder richtig losgeht mit dem Vernissage-Spaß. Schon jetzt im Kalender notieren: Das Gallery Weekend vom 7. bis 10. September. Doch vorher: Sommer!

Galerie der Künstler*innen

Sie wurde selbst nur 34 Jahre alt. Doch wie stark das Werk der jüdischen Künstlerin Eva Hesse (1936-1970) noch immer wirkt, das zeigen die Arbeiten, die nun in der Münchner Galerie der Künstler*innen zu sehen sind. 20 weibliche Kunstschaffende haben sich mit der Bildhauerin Eva Hesse befasst, die als Vertreterin der Arte Povera vornehmlich Alltagsgegenstände verwendete. Materialien wie Fiberglas, Kunststoff, Latex. In der Ausstellung „Beyond the matter – Impressions of Eva Hesse“ nehmen heutige Künstlerinnen darauf Bezug. Elisa Manig beispielsweise mit ihrer Skulptur „Nipper“, die an eine Zahnbürste erinnert. Doch wer die Borsten wie Getreideähren im Wind bewegen möchte, scheitert: Diese federleicht wirkenden Halme sind aus Stahl – felsenfest. (Bis 27. August, Maximilianstraße 42, Mi., Fr., Sa. und So. 11 bis 18, Do. 13 bis 20 Uhr.)

Espace Louis Vuitton

Dieser Künstler muss einem schon deshalb sympathisch sein, weil er die menschliche Handschrift feiert. Und uns durchaus drastisch vor Augen führt, was wir verlieren, wenn wir Füller und Kugelschreiber vollends gegen die Computertastatur austauschen. Der Espace Louis Vuitton widmet dem Franzosen Philippe Parreno zurzeit eine Ausstellung. Diesem Alleskönner in Videokunst zum Beispiel. Damit ist es ja immer so eine Sache: Allzu oft wirken digitale Arbeiten noch wie ein Ausflug in eine Windows-95-Bildschirmschoner-Dauerschleife. Nicht so bei Parreno. Der hat keine Angst, sich mit den Besten in Kameratechnik, (Innen-)Architektur, Sounddesign zusammenzutun. Und so Kunst zu schaffen, die fesselt.

Wie die Installation, die nun im ersten Stock des Espace Louis Vuitton zu sehen ist. Schon im Erdgeschoss wird der Gast eingestimmt auf das, was ihn oben erwartet. Die kleinformatige Videoarbeit „The Writer“ etwa erzählt von einem Apparat aus dem 18. Jahrhundert, der für dessen Erfinder das Schreiben übernahm. Eine Puppe, die aussieht wie „Chucky“ im Horrorfilm, führt die Feder – beim Betrachten schaudert es einen aber vor allem wegen der Erkenntnis, wie sehr wir Menschen schon immer danach trachteten, über uns und unsere scheinbaren Mängel hinauszuwachsen. Werkzeuge und Maschinen als Mittel, eigene Grenzen zu überwinden – ein Wunsch, so alt wie die Menschheitsgeschichte.

Inzwischen sind wir bei der Programmierung Künstlichen Intelligenz (KI) angelangt. Auch Parreno nutzt sie für die Hauptarbeit der Schau, „Marilyn“. Eine Reverenz an Marilyn Monroe. Anhand von Tagebucheinträgen und Briefen der Schauspielerin hat Parreno mit Experten in Kalligrafie und Stimmenimitation die New Yorker Waldorf Astoria Suite, in der die Monroe gewohnt hat, filmisch zum Leben erweckt. Aus sämtlichen von Monroe gesprochenen Texten konnte dank KI ihre Stimme generiert werden. Zudem wurde die Suite im Studio exakt nachgebaut. Was unterscheidet uns von den Maschinen? Laut Parreno unsere Stimme, unsere Schrift und unsere Art, sich im Raum zu bewegen. In „Marilyn“ feiert er all dies. 18 Minuten lang hören wir Monroes Stimme, sehen den von ihrer Hand geführten Stift über das Papier gleiten, und erkunden die Suite aus ihrer Perspektive. In der Kunstwelt heißt’s, Parreno würde bald im Haus der Kunst zu sehen sein. Ob es stimmt oder nicht: Diesen Vorgeschmack sollte man sich nicht entgehen lassen. (Bis 6. August, Maximilianstraße 2a, Mo.-Fr. 12-19, Sa. 10-19 Uhr.)

ludwig space

Sie wollte mit ihrem ludwig space eine Galerie schaffen, in der Menschen aller Bereiche über die Kunst ins Gespräch kommen. Rund ein halbes Jahr später darf man feststellen: Es ist Dietlinde Behncke geglückt. Bei ihren regelmäßigen Talks ist die Bude voll, angeregt wird da über die Themen unserer Zeit diskutiert. Inspiration dazu geben die Kunstwerke, die Behncke im ludwig space ausstellt. Zurzeit sind es die Arbeiten von acht international angesagten Künstlerinnen und Künstlern eines Berliner Stipendienprogrammes. Lukas Liese etwa, der in „Cousin Maria (Screenshot)“ in Marmor festhält, was andere in die digitale Welt hinausposaunen. Cousine Maria, das ist tatsächlich die Verwandte des Künstlers. Interessiert verfolgte Liese, was seine Cousine in den vergangenen Jahren auf Facebook gepostet hat. Viele ihrer wahrlich ätzenden Sprüche hat er mit Säure in Marmorfliesen geätzt. Von Wahlwerbung für Trump bis „Love Capitalism“-Herzchen. Eine smarte Erinnerung daran, wie unbedarft wir im Internet unser Innerstes nach außen kehren. Doch das World Wide Web vergisst nicht. In Stein gemeißelt. (Bis 12. August und dann 1./2. September, Ludwigstr. 7; Di.-Fr. 11 bis 18, Do. bis 20 Uhr, Sa. 11-15 Uhr. Am 6. August lädt Behncke zum Talk mit US-Generalkonsul Timothy Liston. Beginn ist um 19 Uhr in der Galerie.)

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