Gegen die Strömung

von Redaktion

Zu Besuch im neuen Atelier der Künstlerin Janine Mackenroth, das gerade in einem Schwimmbecken entsteht

VON KATJA KRAFT

Natürlich kann man sich als Frau darüber beklagen, wie ungerecht die Welt ist. Dass Männer mehr verdienen. Dass überwiegend Frauen Kunst studieren – den Kunstmarkt aber Herren dominieren. Man kann sich tierisch ärgern über selbstgerechte Sätze wie den von Künstler Georg Baselitz. Der hat 2015 im „Spiegel“ auf die Frage, warum es so wenige erfolgreiche Künstlerinnen gibt, geantwortet: „Frauen malen nicht so gut. Das ist ein Fakt.“ Auch Janine Mackenroth hat sich über all das echauffiert. Doch statt in der Empörung zu verharren, tat die Münchnerin das einzig Richtige: Sie nutzte die Wut als Motor. Was dann möglich ist, davon erzählt diese Geschichte.

Die 33-Jährige ist eine Macherin. Blödes Wort. Die Sorte Mensch eben, mit der man sich intensiv unterhält und danach euphorisiert nach Hause läuft. Einerseits beflügelt von der Energie, die einen da gerade umwehte. Gleichzeitig mit der kritischen Frage im Kopf, womit man selbst eigentlich so seine Zeit verdaddelt, während diese Frau dabei ist, die (Kunst-)Welt zu verändern.

Zum Gespräch darüber treffen wir uns in einem ehemaligen Schwimmbecken. Holen uns zuvor im Schumann’s stilecht „Swimming Pool“-Cocktails (s. Artikel Mitte). Also dann: Auf ein Glas, Janine Mackenroth!

Sie ist Mitglied in der Genossenschaft KunstWohnWerke, hat in deren Immobilie in Berg am Laim ein Atelier. Doch das Schwimmbad im dortigen Keller, das seit Jahren vor sich hinbröckelte, das hatte es ihr angetan. Weil Mackenroth hartnäckig ist, hat sie sich mehrmals initiativ beworben, bis es endlich ausgeschrieben worden ist. Et voilà – ihr Bewerbungskonzept wurde ausgewählt. Jetzt sitzt sie in dem blau gekachelten Bassin. Mit glücksbeseeltem Lächeln im Gesicht. „Wenn ich im Becken male, habe ich eine Höhe von sechseinhalb Metern über mir. Und werde hier auch ausstellen können. Ich freue mich sehr.“

An der Wand lehnt ein großformatiges Bild. Nagellack auf Leinwand. Eine Replik auf Mr. Baselitz. Stichwort: aus Ärger einen Treibstoff für Kreativität machen. Als sie besagtes „Spiegel“-Interview gelesen hatte, dachte sie sich: „Na gut, wenn Frauen angeblich nicht malen können, baue ich eben eine Maschine, die das Malen für mich erledigt.“ Um der selbstironischen Idee noch eins draufzusetzen, wählte sie zur Befüllung des Apparats etwas, was man gemeinhin mit Frauen verbindet – Nagellack. Die so entstandenen Bilder waren sofort verkauft. Da steht Baselitz kopf.

Hier geht sie los, die Konzeptkunst der Janine Mackenroth. Den Begriff verbinden viele mit theoretischen, arg komplizierten Arbeiten. Ihre konzeptionelle Kunst aber wirkt leicht wie ein Fächer, der ordentlich durchlüftet im Hirnstüberl, sich mit jeder neuen Idee weiter öffnet – und so ein immer schillernderes Kaleidoskop von Denkanstößen freilegt.

Nagellack also. Bei den Babyloniern nutzten ihn Männer, um je nach Farbe ihren gesellschaftlichen Rang zu demonstrieren. „Es ist interessant, wie sich unsere Assoziationen zu einem Material über die Jahrhunderte verändern. Gerade in Bezug auf die Geschlechterrollen. Gleichzeitig habe ich mich gefragt: Wie kannst du heute anhand von Farben einen Status zeigen? Also habe ich Nagellack entwickelt, der die Farben unserer Geldscheine aufnimmt.“ Von Fünf-Euro-Grau bis 500-Euro-Lila.

Feminismus, Kapitalismuskritik. „Mich interessieren Themen, die wir als Menschheit noch zu erledigen haben.“ Umweltverschmutzung. Wieder etwas, worüber man sich ärgern kann. Oder? Genau: dagegen angehen. Mackenroth bemühte sich beim Bundeswirtschaftsministerium um Förderung. Und hat ihre Idee verwirklicht: Farbe herzustellen, die nicht die Umwelt versaut oder den Kreativen bei der Arbeit das Hirn vernebelt. Der Prototyp ist da, nun geht es darum, Anschlussförderung zu bekommen und das Produkt auf den Markt zu bringen. Das wäre eine kleine Revolution. „Ich würde es ein Leben lang bereuen, würde ich das jetzt nicht durchziehen. Denn mit diesen schadstofffreien Farben kann ich wirklich etwas zum Besseren verändern.“

Einfach nur drauflosmalen, das war nie ihr Ding. „Mir ist wichtig, dass das, was ich schaffe, für mich Sinn ergibt. Diese reine Materialschlacht ist nicht meins.“ Bei ihr werden aus Arbeiten, die missglücken, Boxsack-Skulpturen. Oder wird aus Plastikmüll konfettibunte Kunst. „Das Ziel ist, auch in meinem Atelier ein Kreislaufsystem zu schaffen, damit erst gar kein Müll entsteht.“ Neulich las sie, dass das gesamte Plastik, das bisher produziert wurde, eine fünf Zentimeter dicke Schicht auf der Erde hinterlassen würde. Ihre Hocker, Bilder, Tische aus Müll sind nicht von ungefähr exakt fünf Zentimeter dick. „Das ist, was Kunst tun kann und tun sollte: die Aufmerksamkeit auf das zu lenken, worauf noch zu wenig Aufmerksamkeit liegt.“ Augen zu und einfach abtauchen geht nicht. Und ist der Pool auch noch so schön.

Ausstellung

im Mandarin Oriental München bis 12. September. Infos: janinemackenroth.com.

Artikel 4 von 4