Karibik im Glas

von Redaktion

Vor vier Jahrzehnten erfand Bar-Legende Charles Schumann den Cocktail „Swimming Pool“

In seiner Bibel steht: Du sollst Wodka nehmen. Doch Bar-Gott Charles Schumann hat seine Meinung inzwischen geändert. In der legendären, weinrot gebundenen Rezeptsammlung „Schumann’s Bar“, die ordentlich zerfleddert, weil häufig benutzt, unter jedem gut geführten Tresen weltweit zu finden ist, notierte der Münchner Gastronom 1991 auf Seite 188 als Zutaten für seinen „Swimming Pool“: „2 cl süße Sahne, 2 cl Kokosnusscreme, 6 cl Ananassaft, 2 cl Wodka, 2 cl Rum weiß, 1 cl Curaçao blue, Stielkirsche, Ananas.“ Trifft man ihn unglaubliche 30 Jahre später in seiner Bar am Münchner Hofgarten wieder, betont er in der ihm eigenen direkten Art: „Wodka und Rum, diese Kombination widerstrebt mir. Heute machen wir den ,Swimming Pool‘ ausschließlich mit weißem Rum.“

Sagt’s und legt im farblich perfekt gewählten Côte-d’Azur-blauen Samtanzug los. Sahne, Kokos, Ananas, Eis und Rum ab in den Blender. Im Grunde wie Piña Colada. Aber das konnte ja jeder, damals Ende der Siebziger. Als das Schumann’s noch an der Maximilianstraße lag, überschaubarer war als heute – und der Chef und seine Mitarbeiter Zeit und Muße hatten, individuelle Drinks für die Gäste zu mixen. Jemand wünschte sich Sonnenschein im Glas? Dann wurde ihm die Sonne ins Glas gezaubert. Jemand fand die ständigen Piña Coladas fad? Dann schnappte sich Schumann die Flasche Curaçao blue und erfand kurzerhand einen neuen Cocktail, der längst zum Klassiker geworden ist.

„Damals trank man diese tropischen Rum-Gemische. Mit Sahne und Früchten. Irgendwann kam ein Gast und meinte: Könnt ihr nicht etwas machen, damit die Piña Colada ein bisschen weniger langweilig ausschaut? Also habe ich Curaçao blue drauf gegossen. Und er: ,Das sieht ja aus wie in meinem Swimming Pool!‘ Das ist das ganze Geheimnis.“

Wenn er dann vorführt, wie der blaue Likör langsam in die sahnige Masse gleitet, heller wird – von Meer- in Schwimmbecken-Töne wechselt –, würde man am liebsten hineinhüpfen. Schumann trocken: „Nee, ich nicht.“

Fürs Karibikgefühl legt der Erfinder noch eine Scheibe Ananas auf sein kleines Meisterwerk. Optik und Geschmack: Olá verão, hallo Sommer! Zu Recht nennt man das die „Art of mixing Drinks“. Was braucht’s, um diese Kunst zu beherrschen? „Entscheidend sind die Idee, die Umsetzung und – Liebe“, meint der Experte. Wie in der Bildenden Kunst steht am Beginn das Schöpferische. „Das zweite ist die Umsetzung, dass man es handwerklich perfekt macht. Aber all das nützt nichts, wenn man es nicht liebt. Ich kann ein noch so schönes Kunstwerk anfertigen – wenn beim Erstellen kein Gefühl dahinter steht, wird der Betrachter es bald leid sein.“

Bis heute kreiert Charles Schumann ständig Neues. Und nutzt diese eine entscheidende Zutat, die man nicht kaufen kann: ganz viel Leidenschaft. Göttlich. KATJA KRAFT

Charles Schumann:

„Schumann’s Bar“. ZS Verlag, München, 416 Seiten; 38 Euro.

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