Zwischen Glamour und Clou

von Redaktion

Die Salzburger Festspiele bieten zwei extrem unterschiedliche Lied-Programme an einem Abend

Salzburg ist ein Ort der Gegensätze. Eine kleine beschauliche Stadt, die sich im Sommer in den Nabel der Musik- und Theaterwelt verwandelt. Besucht von tausenden Kultursüchtigen und einer Reihe von Adabeis, die sich nach dem Konzertbesuch im Goldenen Hirschen kulinarisch verwöhnen lassen oder an einem der vielen Würstlstände am Salzachufer stärken. Hier stehen Luxus und Bodenständiges oft Seite an Seite. Und auch im Kalender der Festspiele ließen sich zwei Liedprogramme erleben, wie sie unterschiedlicher kaum sein konnten.

Der erste Termin am Donnerstagabend hatte da zweifellos den höchstmöglichen Glamourfaktor. Wurden im Haus für Mozart mit Renée Fleming und Evgeny Kissin doch gleich zwei Weltstars zusammengespannt, die man in dieser Kombination nicht oft erlebt. Selbstverständlich war der Ausnahmepianist keineswegs nur Begleiter und durfte sich ebenfalls solistisch präsentieren. Was angesichts der Namen von Franz Liszt und Sergej Rachmaninow auf dem Programmzettel nicht wirklich verwunderte. Und so galt es vor der Pause unter anderem mit dem „Sposalizio“, einen subtilen, aber nachdrücklich seinem Höhepunkt entgegendrängenden Ausschnitt aus Liszts „Années de pèlerinage“ zu erleben, nach dem Kissin mit dem „Valse oubliée“ den notwendigen ruhigen Gegenpol lieferte.

Zuvor hatte Fleming den Abend mit einer Schubert-Auswahl eröffnet, bei welcher der musikalische Ausdruck über der Textdeutlichkeit stand und sich die bekannten Manierismen einschlichen. Sie konnte ihre Stärken erst nach der Pause bei Rachmaninow und Duparc entfalten. Wenig Hilfestellung kam dabei vom Publikum, das aufgrund der geballten Starpower auf Event eingestellt war und sich selbst offenbar immer wieder daran erinnern musste, indem nach wirklich jedem einzelnen Lied hineingeklatscht wurde. Manchmal sogar, wenn der Nachhall der letzten Note noch halb im Raum stand.

Auf diese Art wurde nicht nur die Wirkung von Kissins hochsensiblem Klavierspiel unsanft torpediert. Auch Fleming bekam durch die Unterbrechungen wenig Chance, in den dramaturgisch überlegt zusammengestellten Blöcken einen Bogen zu spannen und schien vor allem in den Schubert-Liedern immer wieder neu nach dem Fokus zu suchen. Aber gerade in getragenen Nummern wie den Goethe-Klassikern „Nur wer die Sehnsucht kennt“ oder dem bis kurz vor dem Stillstand ausgereizten „Über allen Gipfeln ist Ruh’“ waren das unverwechselbare Timbre dieser kostbaren Sopranstimme noch immer zu spüren, die hier sanft in den Raum schweben durfte. Doch ob die Botschaft den Saal erreichte?

Wie anders das zweite Liedprogramm des Abends. Knapp eine Viertelstunde nach Flemings letzter Zugabe startete im Stefan Zweig Zentrum auf dem Mönchsberg ein anderes Trio seine „Kleinen Nachtmusiken“. Ein von Bariton Georg Nigl erdachtes Format, das an sechs aufeinanderfolgenden Abenden jeweils nur 60 Gästen offensteht und sich mit seiner Mischung aus Liederabend und Lesung als eine Schule des Zuhörens versteht. Nigl und seine Mitstreiter wussten den intimen Rahmen der Edmundsburg klug zu nutzen und bauten ein dicht gewobenes Programm, dessen literarische Komponente bei der ersten Runde im Nahen Osten verortet war. Mit Lyrik und Prosa der iranischen Schriftstellerin Forugh Farrochzad, gelesen von Ulrich Noethen, dessen nüchterner Vortrag vor allem den kurz und kompakt eingestreuten Gedichten Gewicht gab.

Dazu erklang – mal thematisch angelehnt, mal davon isoliert – Musik von Monteverdi, Caccini, Purcell und Scarlatti. Von Nigl mit agiler, instrumental geführter Stimme angegangen, was den Kompositionen eine anrührende Schlichtheit verlieh. Ein Kammerspiel, zart begleitet vom Clavichord, auf dem Alexander Gergelyfi seine Vitalität und Virtuosität stilsicher ausspielen konnte. Wobei die Wahl dieses Instruments, das in größeren Sälen meist unterzugehen droht, den eigentlichen Clou des Projekts darstellte. Zwang es das Publikum doch geradezu zur Stille und Konzentration. Wodurch in dieser spannungsgeladenen Stunde mit Ausnahme des ausführenden Trios kaum ein Laut zu vernehmen war. Was vielleicht das größte Kompliment bedeutete. TOBIAS HELL

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