Im Jahr 2006, als William Friedkin überraschend beim Filmfest in München aufschlug, geschah Erstaunliches: Die Menschen stürmten den Gasteig, um „French Connection“ wieder auf großer Leinwand sehen zu können. Einen Film aus dem Jahr 1971. Friedkin nahm das mit Genugtuung zur Kenntnis. An sich war er wegen seiner ersten Operninszenierungen, „Salome“ von Richard Strauss und „Das Gehege“ von Wolfgang Rihm, in der Stadt. Aber Höhepunkt des Aufenthalts war die Werkschau seiner Filme. Für Cineasten war klar: Die völlig irre Verfolgungsjagd aus „French Connection“, das mürrische Gesicht von Gene Hackman, das dokumentarische Flair dieses Klassikers im Carl-Orff-Saal mit Friedkin als Gast – das war die eigentliche Sensation.
Der Regisseur hatte als Mittdreißiger einen Oscar für „French Connection“ bekommen, weil seine unmittelbare Inszenierung, das Drehen vor Ort ohne Studioatmosphäre und der ruppige Stil wie ein kleines Erdbeben in Hollywood wirkten – etwas, das die Zuschauer noch Jahrzehnte danach durchrütteln konnte („French Connection II“ von 1975 entstand ohne Friedkin). Vielen galt er seinerzeit als Eintagsfliege, aber mit seinem nächsten Hit, „Der Exorzist“ (1973), stopfte er den Kritikern den Mund. Der Film, längst Teil des Kino-Kanons und inflationsbereinigt nach wie vor der erfolgreichste Film ohne Jugendfreigabe, überzeugte mit raffinierter Psychologie und handfesten Schockeffekten. Zudem festigte er Friedkins Ruf, ein gemeingefährlicher Irrer zu sein. Nicht wenige Beteiligte behaupteten, das Furchteinflößendste beim Dreh sei der Regisseur gewesen, der nicht davor zurückschreckte, Schauspieler zu schlagen oder sie ohne Vorwarnung zu erschrecken, um möglichst authentische Reaktionen auf Film bannen zu können. Nach Friedkins Dafürhalten hatte sich nach wochenlangen Proben beim Ensemble eine gewisse Routine eingeschlichen, die ihm nicht passend erschien. Schon bei „French Connection“ hatte er bei der sagenumwobenen Verfolgungsrallye seine Stuntfahrer teilweise in den regulären Straßenverkehr in Brooklyn gejagt, es kam zu ungeplanten Unfällen, die man teilweise im Film begutachten kann.
Nach den ehernen Gesetzen der Unterhaltungsbranche muss ein zu erfolgreicher Jüngling mit leicht erkennbarer Tendenz zur Grenzübertretung bestraft werden. Also fiel die Kritik mit Wollust über Friedkins nachfolgenden Filme her. Zu Unrecht. Werke wie „Cruising“ (1980) oder „Leben und Sterben in LA“ (1985) gelten heute als Kult. Friedkin selbst interessierte die Meinung von Kritikern sowieso nie, ebenso wenig wie die Meinung von irgendjemand anderem.
Friedkin machte es niemandem einfach, und er wollte es auch gar nicht. Sein Maßstab war „Citizen Kane“ von Orson Welles, der immer wieder zum besten Film aller Zeiten gewählt wurde und der Friedkin als Teenager mit dem Filmfieber infiziert hatte. Da wollte er hin. 1995 versuchte er mit dem Erotikthriller „Jade“ erfolglos ein Comeback und erklärte später trotzig, dies sei ein makelloses Meisterwerk, was nicht einmal seine Fans so unterschreiben würden.
Mit dem postmodernen, ironischen Kino konnte er nicht viel anfangen: „Gewalt ist nie komisch“ war sein Credo. Nun ist der Mann, der eine Handvoll Klassiker geschaffen hat, mit 87 Jahren gestorben.