Kein Impuls ist auf dem Schlag. Die Taktschwerpunkte sind nicht zu erkennen. „Rondo alla Rumba“ von Edgar Olivero aus dem Album „La bella Cubana“ beginnt mit den für die kubanische Musik so typischen, Claves genannten, Klanghölzern, ehe Klavier und Bass dazukommen. Aber erst, als Sarah Willis einsetzt mit dem Thema aus dem Finale von Wolfgang Amadeus Mozarts Hornkonzert KV 495, wird die komplexe rhythmische Struktur klarer.
Als Clave bezeichnet man auch den sich wiederholenden Grundrhythmus in der kubanischen Musik. Die Rumba-Clave von „Rondo alla Rumba“, diesem virtuosen Mix aus der Musik Mozarts und kubanischem Tanz, ist eine echte Herausforderung für europäische Ohren. „Wenn du es nicht tanzen kannst, kannst du es nicht spielen“, sagt Sarah Willis. „Und es stimmt tatsächlich: Wenn man einen Mambo tanzt, bekommt man ein anderes Gefühl von der Clave.“
„La Bella Cubana“ ist der letzte Teil der Trilogie „Mozart y Mambo“. Mit dem ersten Album landeten Sarah Willis und das Havana Lyceum Orchestra vor drei Jahren direkt auf Platz eins der deutschen Klassik-Charts.
„Auf jedem der drei Alben gibt es puren Mozart, pure kubanische Musik und einen Mix aus beidem“, sagt die Hornistin der Berliner Philharmoniker. 2001 kam die in den USA geborene Britin zu Deutschlands Nobel-Orchester. Durch ihre Präsenz in der Musikvermittlung und in Sozialen Netzwerken, dazu als Interviewerin, Talkshow-Gast und Moderatorin ist Willis so etwas wie das Gesicht der Berliner Philharmoniker geworden.
Auf ihrem neuen Album bietet das populäre „Guantanamera“, ursprünglich ein Volkslied aus der kubanischen Provinzhauptstadt Guantánamo, in einer von Jorge Aragón arrangierten Achtminutenversion nach einem symphonisch etwas aufgepumptem Beginn viel Raum für Improvisation. Sarah Willis’ Horn klingt ein wenig wie eine Posaune – und auch sie steuert neben Violine, Flöte, Klavier und Trompete ein improvisiertes Solo bei. Am Ende wird der Song zur ausgelassenen kubanischen Party.
Auf die Idee, Mozarts vier Hornkonzerte aufzunehmen, kam Willis erst, als sie in Kuba das Havana Lyceum Orchestra erlebte. „Das hatte eine unglaubliche Leichtigkeit!“ Leider ist das Ensemble in der Aufnahme des Es-Dur Konzertes KV 495 nur in den Zwischenspielen gut zu hören. In den Solo-Teilen dominiert das Horn zu stark. Dazu lässt Willis mit den Berliner Kollegen Jonathan Kelly (Oboe), Wenzel Fuchs (Klarinette) und Stefan Schweigert (Fagott) eine sinnliche, etwas romantisierte Version der Mozart zugeschriebenen Sinfonia concertante KV 297b entstehen. Das Havana Lyceum Orchestra breitet unter Leitung von José Antonio Méndez Padrón unter alles einen weichen Streicherteppich aus oder sorgt für eine tänzerische Note.
Eigentlich war Sarah Willis 2017 erstmals nach Havanna gekommen, um tanzen zu lernen und für ihre Sendung bei der Deutschen Welle („Sarah’s Music“) Einblicke in die kubanische Musikszene zu gewinnen. Durch eine Meisterklasse kam sie mit dem Havana Lyceum Orchestra zusammen, mit dem bereits Dirigent Thomas Hengelbrock und sein Balthasar-Neumann-Ensemble gearbeitet hatten. „Ich wusste nicht, dass es überhaupt Hornisten auf Kuba gibt. Ich war überwältigt, wie gut diese jungen Kubanerinnen und Kubaner auf zum Teil schlechten Instrumenten spielen können.“ Aus der eindrücklichen Begegnung wurde eine intensive Beziehung. Mehrere Male kehrte Willis nach Kuba zurück – die Alben „Mozart y Mambo“ sowie zwei TV-Dokumentationen der Deutschen Welle und eine für Arte erzählen davon.
„Das Projekt hat in irgendeiner Weise das Leben aller Musiker verändert, die daran teilgenommen haben, und es hat einen Präzedenzfall für klassische Musik in Kuba geschaffen, der zu mehr internationaler Aufmerksamkeit geführt hat“, sagt Dirigent Padrón. Sarah Willis, die mit „Mozart y Mambo“ Geld sammelt für neue Instrumente auf Kuba, ergänzt: „Wir haben eine große Familie gegründet. Ich habe selbst keine Kinder, aber ich habe 43 Kubanerinnen und Kubaner, die ich liebe. Diese Unterstützung zu spüren, war für mich als Orchesterhornistin unheimlich wichtig. Sie haben mich beflügelt, ich habe mich getraut. Diese Liebe hat dieses Projekt überhaupt erst möglich gemacht.“
Aktuelles Album:
„Mozart y Mambo“.
Sarah Willis, Havana Lyceum Orchestra, José Antonio Méndez Padrón (Alpha Classics, erscheint am 8. September).