Als sich David Bowie alias Ziggy Stardust gegen Ende des Konzerts im Londoner Hammersmith Odeon an das Publikum wandte, wussten nicht mal die Mitglieder seiner Band The Spiders from Mars, was er verkünden würde. „Von allen Shows auf dieser Tournee wird uns diese am längsten in Erinnerung bleiben“, sagte der Sänger, „denn es ist nicht nur das letzte Konzert dieser Tour, sondern auch die letzte Show, die wir jemals spielen werden.“
Das Publikum war an jenem Abend im Juli 1973 so entsetzt wie die Musiker. „Sie waren schockiert“, erinnert sich Bowies Pianist Mike Garson. Der heute 78-Jährige war zwar mit auf Tour, aber kein festes Mitglied der Spiders. Ausgerechnet ihm hatte Bowie als Einzigem vorher verraten, dass er sich von seiner Kunstfigur Ziggy Stardust verabschieden und die Band auflösen werde. Mit Garson wollte er hingegen weiterarbeiten.
Bis dato hatten rund 5000 Zuschauerinnen und Zuschauer – darunter Beatles-Drummer Ringo Starr, Mitglieder der Rolling Stones, Sängerin Barbra Streisand und Hollywood-Star Tony Curtis – eine spektakuläre Show im Hammersmith Odeon erlebt, die nach 50 Jahren jetzt erstmals vollständig veröffentlicht wird. Nach der Kinopremiere im Juli erscheint der restaurierte Konzertfilm „Ziggy Stardust and the Spiders from Mars: The Motion Picture“ von Regisseur D. A. Pennebaker (1925-2019) nun auf Blu-ray und DVD; den Soundtrack gibt’s auf CD, LP und im Stream.
„Es war im Prinzip der Höhepunkt der Tour“, erinnert sich Mike Garson. „Die Band war voll in Schwung, es herrschte eine Kameradschaft, und die Musik wurde jeden Abend besser. Und dann spielst du in London, Davids Heimatstadt, vor den besten Fans der Welt. Da konnte man die Energie im Raum spüren.“
Der Film dokumentiert diese ekstatische Stimmung. Das Publikum bejubelte „Space Oddity“ oder „Suffragette City“. Für drei Songs kam Jeff Beck dazu. Lange fehlte der Auftritt im Film auf Bitte des Gitarristen. „Ich glaube, er mochte seine Hose nicht“, scherzt Garson. Andere Gerüchte besagen, Beck sei mit seinem Spiel nicht zufrieden gewesen. Vor seinem Tod im Januar stimmte er der Veröffentlichung jedoch zu.
Das Ende von Ziggy Stardust war der Beginn des nächsten Kapitels in Bowies Karriere. War das Album „Diamond Dogs“ 1974 noch stilistisch ähnlich, markierte der Nachfolger „Young Americans“ ein Jahr später eine Abkehr vom Glamrock. Es folgten „Station to Station“ und seine Berlin-Trilogie. Insgesamt wurden es 26 Studio-Alben. Mike Garson ist auf rund einem Dutzend davon zu hören. Bis zu Bowies Tod im Jahr 2016 arbeitete der Pianist mit ihm zusammen.
Dass selbst ein Konzert, das vor 50 Jahren aufgezeichnet wurde, immer noch auf großes Interesse und Begeisterung stößt, wundert den Künstler nicht. „Davids Musik klang nie nach Oldies, und das wird sie auch nie, weil sie zeitlos ist“, sagt der 78-Jährige, der heute in Los Angeles lebt. „Genauso wie Mozart und Beethoven zeitlos sind, Chopin und Strawinsky, Louis Armstrong, John Coltrane oder Miles Davis.“