Herzenssachen

von Redaktion

AnnenMayKantereit spielen zwei umjubelte Auftritte in der Olympiahalle

VON KATHRIN BRACK

Sogar einen Aschenbecher haben sie hingestellt. Henning May ist beeindruckt. „Ich habe erst vor Kurzem gelernt, dass man in Deutschland auf jeder Bühne rauchen darf“, sagt er. „Kunstfreiheit.“ Benutzen werden der Sänger und seine Bandkollegen Christopher Annen und Severin Kantereit ihn an diesem Abend nicht. Stattdessen sitzen sie zusammen um den kleinen, sehr alt anmutenden Tisch samt Blumentopf und Weißweingläsern und spielen, als wären sie unter sich. „Es ist Abend, und wir sitzen bei mir“, so der Titel des neuen Albums. Stimmt so natürlich nicht ganz.

AnnenMayKantereit spielen für die ausverkaufte Olympiahalle. An diesem Donnerstagabend und am Freitag, zweimal hintereinander. Sie hätten diese Konzerte eigentlich schon im April geben wollen und mussten sie krankheitsbedingt absagen. Nun sind die beiden Nachholshows der Start der zweiten Hälfte der Tournee, die noch bis Anfang September dauern wird.

Was auch bei Sänger Henning May offensichtlich für ein bisserl Aufregung sorgt: Er braucht ein, zwei Lieder, um seine imposante Reibeisenstimme voll zu entfalten. Und startet ein wenig wackelig mit „Marie“ und einem entschuldigenden Grinsen in diesen ersten Konzertabend. Macht nichts, die Fans helfen gerne aus. Und spätestens bei „Pocahontas“ röhrt der Sänger auf seine gewohnt spektakuläre Art.

Wobei es unfair wäre, AnnenMayKantereit allein auf diese Stimme zu reduzieren. Die drei Kölner machen Musik, mit der sich im Prinzip jeder identifizieren kann. Die Themen aus dem Leben gegriffen: Familie, Freunde, Liebeskummer. Kennen wir alle. Die Melodien einfach, einprägsam und dabei nie aufdringlich. Manchmal sehr tanzbar, manchmal einfach gut hörbar, immer mitsingbar. „Vielleicht Vielleicht“, „Oft gefragt“ oder „21 22 23“: Die Fans sind lautstark mit dabei.

Es ist keine Show, die die Band da herunterspielt. Keine Laser, kein Feuer, kein Konfetti. Aber deswegen sind die Fans auch nicht gekommen. Sie sind gekommen, um zu tanzen. Um Henning May tanzen zu sehen. Ein bisschen hat man das Gefühl, man ist in diesen anderthalb Stunden Gast und bekommt einen kleinen, intimen Einblick in das Miteinander der Band. Die in München nicht allein auf der Bühne steht, sondern von Bassistin Sophie Chassée und acht Bläsern und Streichern begleitet wird. Das kleine Orchester verzaubert mit einem Instrumental, während AnnenMayKantereit beinahe unbemerkt die Bühne wechseln, um mitten in der Arena „Ozean“ und „Als ich ein Kind war“ zu performen.

Die Zugabe machen die drei Musiker dann unter sich aus. Als bei „Barfuß am Klavier“ die Handys auf den voll besetzten Rängen aufblinken, bedankt sich Henning May für die vielen Lichter. Mit „Tommi“ und drei winzig kleinen Biergläsern machen sie es sich auf der Bühne bequem und feiern wie üblich am Ende jedes Konzerts ihre Kölner Heimat. Und lassen zu „Ausgehen“ noch ein letztes Mal die Puppen tanzen, bevor der schwarze Vorhang fällt.

„Es ist Abend, und wir sitzen bei mir“: Nein, so ganz stimmt das nicht. AnnenMayKantereit haben in der Olympiahalle die eigene Aufforderung befolgt: „Lass es kreisen.“ Und wie!

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