Vor einigen Jahren erzielte der Autor dieser Zeilen auf der Pressetribüne des Jazzfestivals Saalfelden einmal einen herzhaften Lacher. „Wie viele Leute unter 30 siehst du da unten?“, fragte der Sitznachbar mit Blick auf das voll besetzte Parkett. Antwort: „Unter 30!“
Das war freilich alles andere als eine Pointe um ihrer selbst willen, sondern angesichts vorwiegend gesetzterer Herren, die in Festival-T-Shirts der Neunziger- und Nullerjahre ihre jahr(zehnt)elange Verbundenheit mit dem alljährlichen Highlight des Jazzkalenders demonstrierten, eine faktisch zutreffende Beschreibung einer bedenklichen Entwicklung.
Denn während sich der Jazz dank immer neuer junger Talente permanent erneuert (eine Entwicklung, die man in Saalfelden seit jeher reflektiert hat), droht seinem Publikum die Überalterung. Was bedeutet es für die Zukunft einer international renommierten Kulturveranstaltung, die von morgen an bis zum Sonntag ihre 43. Ausgabe erlebt, wenn das Publikum im Schnitt doppelt so alt ist wie die Akteure auf der Bühne?
„Ich bin überzeugt: Hätten wir einfach so weitergemacht, gäbe es uns in zehn Jahren nicht mehr“, sagt Intendant Mario Steidl. Obwohl man bis zur Pandemie regelmäßig ausverkauft war, nahm Steidl 2019 das Jubiläum zum 40-jährigen Bestehen zum Anlass für Neuerungen, die gezielt Jüngere anlocken sollten: Parallel zum zahlungspflichtigen Hauptprogramm führte er kostenlose Schnupperkonzerte im Kulturzentrum Nexus ein, das Gratis-Rahmenprogramm auf Open-Air-Bühnen im Stadtgebiet wurde mit einigen allenfalls jazzaffinen Acts deutlich ausgeweitet, zusätzliche ungewöhnliche Spielorte wie eine ausgediente Industriehalle sollen neugierige Laufkundschaft anlocken, und Bassist Lukas Kranzelbinder bietet, den Kontrabass geschultert, Bergwanderungen mit Musik-Unterbrechungen an.
Die Frage ist, ob aus bei freiem Eintritt spontan Begeisterten irgendwann einmal zahlungswillige, zu konzentrierter Aufmerksamkeit bereite Besucher werden. Heuer zahlen Jugendliche unter 18 und Studenten bis 26 Jahre erstmals nur die Hälfte auf alle Tickets – quasi die Probe aufs Exempel, ob die Gratis-Eventisierung als „Einstiegsdroge“ funktioniert.
Auch seinen ökologischen Fußabdruck will das Festival, dessen Publikum zu gut einem Drittel aus Bayern kommt (von München aus sind es weniger als zwei Autostunden in den salzburgischen Pinzgau), konsequent senken. Statt, wie früher oft, Stars exklusiv aus New York einzufliegen, setzt man verstärkt auf jüngere europäische Kreative. Zudem gibt es wieder zwei „Artists in Residence“, den an insgesamt vier Projekten beteiligten Schweizer Vokalartisten Andreas Schaerer und die japanische Koto-Spielerin Michiyo Yagi, die drei Konzerte gestaltet.
Darüber hinaus verbringen weitere Musiker das ganze Wochenende in Saalfelden, um in mehr als einer Konstellation verschiedene Facetten ihrer Kreativität zu zeigen, etwa die Pianistin Myra Melford oder die blutjunge Saxofonistin Zoh Amba. Insgesamt gibt es in vier Tagen 55 Programmpunkte, die Stammgästen wie Einsteigern reichlich spannende und ungewöhnliche Musik versprechen.
Weitere Informationen
und Tickets gibt es online unter www.jazzsaalfelden.com.