Neuerfindung eines Lebens

von Redaktion

Die österreichische Schriftstellerin Monika Helfer legt heute ihren Roman „Die Jungfrau“ vor

VON SIMONE DATTENBERGER

Sommeridyll am Bauernhof mit zwei Mäderln in Weiß und einem bunten Gockel. Der Bauer hebt das Gewehr, erschießt den Hahn – und zielt dann auf die Kinder. Die Bestsellerautorin Monika Helfer (Jahrgang 1947), die 2020 mit „Bagage“ ihren Durchbruch hatte (zuletzt erschienen: „Löwenherz“, wir berichteten), erzählt in dem Kurz-Roman „Die Jungfrau“ von einer Jugendfreundschaft, die surreale Momente kennt. Diese Freundschaft dreht eine Erinnerungsschleife, als Gloria und Moni 70 Jahre alt sind, und wird zum literarischen Text. In ihm wird auch über das Schreiben an sich nachgedacht.

Die österreichische Schriftstellerin setzt in der neuen (nicht immer sorgfältig lektorierten) Geschichte wieder auf die heutzutage angesagte Autofiktionalität. Die Erzählfigur wird als Monika Helfer erkennbar gemacht, inklusive Ehemann und Kollege Michael (Köhlmeier), Verwandten und Lebenslauf. In ihm taucht Gloria als Schulfreundin auf und ist die Kontrastperson zu Moni: Die Menschen finden Gloria anziehend, sie ist wohlhabend, tut sich leicht in der Schule, wird problemlos ins Max-Reinhardt-Seminar aufgenommen und hat noch ihre Mutter. Allerdings sonst niemanden. Und das bleibt so. Die von ihr behauptete Jungfräulichkeit und/oder Jungfernschaft – trotz stürmischer Beziehung zu einem Schauspiellehrer – steht für die Lebens-Leerstelle. Die Freundin vermochte nie, sie aus eigener Kraft zu füllen. Nun, angeblich dem Tod nah, ruft sie „die Moni“ zu sich. Dass es nicht um Nostalgie geht, spürt die Erzählerin: „Also drängt sich Gloria wieder in den Vordergrund. Dass ich über sie schreiben soll, deshalb: um ihr Leben neu zu erfinden. … Wenn einer dauernd ,Ich‘ sagt, heißt das nicht unbedingt, dass er daran Gefallen hat, wie er ist. Gloria sagt ,Ich‘ und schaut mich flehentlich an.“ Monika Helfer hat der Einsamen den Wunsch erfüllt und sie in Kunst verwandelt; vielschichtig, humorvoll, kritisch und nachsichtig zugleich. Und sie hat in der Beziehung sowie in den Möglichkeiten des Mädchen- und Frau-Seins ihre eigene Existenz reflektiert.

Monika Helfer:

„Die Jungfrau“.

Hanser Verlag, München, 150 Seiten; 22 Euro.

Lesung: Monika Helfer stellt ihr Buch am 14. Dezember, 19 Uhr, im Münchner Literaturhaus, Salvatorplatz 1, vor; Karten unter 0761/88 84 99 99 oder unter literaturhaus-muenchen.reservix.de.

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