Die Kernkompetenz der Münchner Kammeroper liegt meist in den Randbereichen des Repertoires. Vorstandsmitglied Christoph Goerdes weist darauf bei einem Probenbesuch im Hubertussaal von Schloss Nymphenburg nicht ohne Stolz hin. Viel Unbekanntes von bekannten Komponisten galt es da schon in den vergangenen Jahren für neugierige Opernfans zu entdecken. Aber ebenso die Ausgrabung einer vergessenen Komponistin oder eigens neu für das Ensemble entwickelte Stücke. Doch selbst wenn die Entdeckungsfreude ein Markenzeichen ist, sollen und dürfen hin und wieder auch die großen Titel nicht fehlen, denen man sich auf Schloss Nymphenburg in bewährter Kammeropern-Manier annähert.
Nicht ganz unwesentlich sind dabei auch wirtschaftlichen Faktoren, wie Goerdes zugibt. „Nach Corona musste auch etwas her, was die Leute anzieht. Und der ‚Figaro‘ letzten Sommer war tatsächlich das beste Einspielergebnis in der Geschichte der Kammeroper. Wir sind schon etwas verwöhnt, was unsere Auslastung angeht. Die lag zuletzt bei über 90 Prozent, aber das brauchen wir als nicht subventioniertes Ensemble auch.“
Und deshalb steht in diesem Sommer gleich der nächste Mozart auf dem Programm, „Die Entführung aus dem Serail“, die an diesem Donnerstag im Hubertussaal Premiere hat.
Wie schon beim „Figaro“ hat das Team um Regisseur Maximilian Berling auch bei Mozarts exotischem Singspiel hin und wieder den Rotstift angesetzt, um am Ende bei einer kompakten Spieldauer von rund zwei Stunden Musik plus Pause zu landen. Was ein wenig an die berühmte Anekdote erinnert, laut der seine Majestät Kaiser Joseph II. angeblich einst zu Mozart meinte, es wäre zwar eine schöne Oper, aber mit „gewaltig vielen Noten!“ Worauf der schlagfertige Komponist geantwortet haben soll: „Gerade so viele als nötig.“
Eine Geschichte, die auch Dirigent Henri Bonamy schmunzeln lässt, der die meist subtilen Striche voller Überzeugung verteidigt. „Ich glaube schon, dass man Mozart bei uns trotzdem noch wahrnimmt. Er ist immer da und nicht überschminkt. Auch wenn vielleicht ein paar neue Farben dazukommen. Für mich ist es eine sehr kurzweilige Fassung geworden, die sich bei den ersten Durchläufen rundum stimmig angefühlt hat. Vor allem, was den Übergang von den Dialogen zur Musik betrifft.“
Der gebürtige Franzose, der neben seiner aktiven Karriere als Dirigent und Pianist mittlerweile auch an der Münchner Musikhochschule unterrichtet, leitet mit der „Entführung“ seine erste Produktion für die Kammeroper. Trotzdem fühlt er sich hier bereits heimisch. „Ich kannte zuvor schon unseren Arrangeur Alexander Krampe und auch den Konzertmeister Luis Vandory. Da war eigentlich schnell klar, dass wir gut miteinander arbeiten würden.“
Viel Lob gibt es von Henri Bonamy allerdings nicht nur für das Orchester, in dem durch die kammermusikalisch schlanke Besetzung jeder und jede Einzelne voll gefordert ist. Auch Krampes typischer Kammeropern-Sound hilft ihm, das scheinbar vertraute Stück mit offenen Ohren neu zu hören. „In der Partitur gibt es unter anderem eine Gitarre, die bei uns die Funktion eines Cembalos übernimmt. Aber auch etwas Schlagwerk, das für exotische Farben sorgt, die in der Inszenierung bewusst nicht so plakativ auftauchen, wie man es vielleicht gewohnt ist.“ Ein Versuch, dem Spielspiel das Klischeehafte zu nehmen und statt dem Clash der Kulturen lieber die Emotionen der Figuren in den Vordergrund zu rücken.
Für die neuen Dialoge der Produktion zeichnet die Dramaturgin Rebecca Mayr verantwortlich. „Das Stück weist an vielen Stellen Tendenzen auf, die wir heute nicht mehr so erzählen wollten. Wir haben versucht, das türkische Sujet so weit wie möglich rauszunehmen, damit es eher ein Aufeinandertreffen von unterschiedlichen Werten und Lebensvorstellungen wird.“ Perfekt zugeschnitten auf ein junges Ensemble, das hier gleich in doppelter Besetzung antritt und der Premiere ähnlich entgegenfiebern dürfte, wie die Fangemeinde der Kammeroper.
Premiere
am 24. August, Vorstellungen bis 17. September;
Näheres im Internent unter kammeroper-muenchen.de.
Eine kompakte Spieldauer von
rund zwei Stunden
Das türkische Sujet wurde so weit wie möglich entfernt