Mensch Elke

von Redaktion

NEUERSCHEINUNG Heidenreichs kluges Büchlein über Nächstenliebe

VON KATJA KRAFT

Und wenn einem dann mal wieder jemand blöd kommt: sofort zu diesem Büchlein greifen. Nach der Lektüre blickt man gleich ein bisschen milder auf diese eine Person, die es ständig schafft, dass einem die Hutschnur platzt.

Bei Elke Heidenreich wirkt das Leben wie ein Kinderspiel. Aber ein echtes Kinderspiel. Das bedeutet das volle Programm: Spaß, Witz, aber eben auch manchmal Tränen und Ärger und alles vom Tisch fegen und sich tierisch aufregen. Hat ja keiner behauptet, dass Spiele immer nur lustig sind. Und Kinder immer nur lieb. Aus kleinen Kindern werden große Leute. Für beide hat Heidenreich nun das zauberhafte Buch „Frau Dr. Moormann & ich“ geschrieben.

Auf 88 Seiten erzählt die 80-Jährige hier die alltäglichste Geschichte der Welt: von Nachbarn, die einander nicht ausstehen können. Genauer: Die Erzählerin, die denselben Namen trägt wie die Autorin, kann ihre Nachbarin nicht ausstehen. Frau Dr. Moormann ist aber auch eine pedantische Nervensäge. Heidenreichs Garten ist ihr zu ungepflegt, Heidenreichs Mops bellt ihr zu laut, Heidenreichs Freund spielt ihr zu viel Klavier, und – jetzt hört’s aber auf! – Heidenreichs Freundinnen lachen ihr zu schrill beim gemeinsamen Waffelbacken. Ein überpenibler Blockwart, das ist Frau Dr. Moormann. Ende der Geschichte.

Nein, nicht das Ende der Geschichte. Weil die Elke Heidenreich im Buch so klug ist wie die Elke Heidenreich im echten Leben, beharrt sie nicht darauf, Frau Dr. Moormann doof zu finden. Sondern öffnet ihr Herz einen klitzekleinen Spaltbreit. Nur einen klitzekleinen. Und dann huscht sie da hinein, die Frau Dr. Moormann. Ziemlich trampelig tut sie das. Poltert in dieses Herz – und zwischen den Zeilen liest man, wie die Heidenreich oft kurz davor ist, die Schotten ganz schnell wieder dicht zu machen. Aber so ist das mit dem Hass – meistens rührt er daher, dass man den anderen gar nicht richtig kennt. Und wenn man sich dann auf ihn einlässt, passiert ziemlich oft etwas ziemlich Schönes: Der Hass verfliegt. Man findet manche Eigenarten der anderen Person zwar immer noch nervig und übergriffig. Aber man versteht, woher sie rühren. Diese Frau Dr. Moormann, die ist in Wahrheit nämlich ganz schön einsam. Wieso nicht einfach mal unvermittelt bei ihr klingeln und ihr einen Blumenstrauß in die Hand drücken? Die Griesgrämigkeit des anderen mit Liebenswürdigkeit ersticken.

Die Autorin erzählt davon wie immer auf ihre lakonische, beiläufige, liebevolle Art. Man spürt den Herzschlag, der hinter jeder Zeile klopft. Das ist Mitmenschlichkeit. Ohne jedes Pathos. Ganz die handfeste Heidenreich.

Und weil dies ein Buch für Kinder und Erwachsene, die mal Kinder waren, ist, hat Michael Sowa wieder allerliebste Bilder zu Heidenreichs Geschichte gemalt. Von den vier Teddybären zum Beispiel, die bei der Erzählerin leben. Und dem Mops. Und dem zerzausten Garten. Und von Frau Dr. Moormann.

An Schmuddelwettertagen Waffeln backen, mit dem Büchlein aufs Sofa lümmeln, lesen – und sich daran erinnern, dass das Leben eigentlich ganz einfach sein kann. Ein lustiges Kinderspiel.

Elke Heidenreich:

„Frau Dr. Moormann & ich“. Hanser Verlag, München, 88 Seiten; 20 Euro.

Lesung: Elke Heidenreich stellt ihr Buch am 20. September, 19 Uhr, im Münchner Literaturhaus, Salvatorplatz 1, vor; Karten unter 01806/70 07 33 oder unter literaturhaus-muenchen.reservix.de.

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