Auf dem Turbokunstmarkt

von Redaktion

NEUERSCHEINUNG Ernst-Wilhelm Händlers Roman „Der absolute Feind“

VON ANDREAS PUFF-TROJAN

Im neuen Roman „Der absolute Feind“ von Ernst-Wilhelm Händler kommt der Ich-Erzähler, ein leidlich bekannter Schriftsteller, einem erfolgreichen deutschen Galeristen ziemlich nahe. Der Kunsthändler mit Namen Georg Voigtländer bietet dem Autor einen interessanten Auftrag an: „Er sagte, ich solle über ihn schreiben. Ehe ich irgendetwas sagen konnte, fuhr er fort, keine Biografie. Eine Erzählung, einen Roman oder einen Essay. Ich sagte, aber ich schreibe keine Reklame. Er sagte, beim Schreiben über Kunst gebe es keine Reklame oder alles sei Reklame, es sei das Gleiche.“

Mit dem Galeristen Georg Voigtländer kehrt Ernst-Wilhelm Händler zu den Anfängen seines Schreibens zurück. 1997 veröffentlichte er seinen zweiten Roman „Fall“. Die Hauptfigur ist darin ebenfalls Georg Voigtländer. Nur war er damals kein Galerist, sondern Geschäftsführer eines Familienunternehmens. Doch auch andere Bekannte aus „Fall“ tauchen in „Der absolute Feind“ wieder auf. Etwa Franz-Josef Murau, die Hauptfigur aus Thomas Bernhards Roman „Die Auslöschung“.

Anders als in „Fall“ wird im Roman „Der absolute Feind“ eine bestimmte existenzielle Frage verhandelt: Was bedeutet noch Identität in einer wirtschaftlich wie politisch global agierenden und in einer medial extrem vernetzten Welt? Selbst wenn man darin eine exponierte Stellung einnimmt, etwa als Galerist wie Georg Voigtländer – aber auch als Künstler oder als Schriftsteller?

Da der Autor über den Galeristen Georg Voigtländer schreiben soll, begleitet er ihn zu den internationalen Kunstmessen von Venedig bis New York. Und wer einige der im Roman genannten zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstler googelt, der wird sich bei einem Blick auf deren Werke eingestehen: nicht viel Neues unter der Sonne. Auch dem Schriftsteller selbst, der in jungen Jahren dachte, er könne mittels Literatur Philosophie befördern, gelingt kein großer Wurf.

Löscht sich Kunst und Literatur durch eine sich stets wiederholende Neubelebung von schon vorhandener Kunst aus – ebenso durch die nicht enden wollenden Kommunikationsforen über Kunst? Das ist die Kernfrage in Händlers Roman. Die „Auslöschung“ oder zumindest die Infragestellung der Literatur als Leitmedium in ästhetischen wie gesellschaftskritischen Fragen – daran will der Ich-Erzähler als Schriftsteller nicht glauben. In Wahrheit will er von seinem besonderen Status als künstlerisches Subjekt nicht abrücken: „In meiner Vorstellung lebe ich meine Machtfantasien aus wie ein Nazi. Ich behandle die Figuren und die möglichen Figuren meines Romans so, wie ein SS-Obersturmbannführer mit anderen Menschen umgeht. Das ist falsch.“

Natürlich übertreibt hier der Autor gewaltig. Doch ist nicht Übertreibung, das Schock-Moment, in der Kunst vielleicht der einzige Faktor, um sie vor der „Auslöschung“ zu bewahren? Voigtländer wiederum sieht klar, dass in der Verzahnung von Turbokapitalismus und Turbokunstmarkt der ideell-ästhetische Wert von Kunst ins Wanken gerät. Er erwägt, seine Galerie aufzulösen. Indem der Schriftsteller bei diesem Akt den Galeristen beschreibt, gelingt es Voigtländer, die eigene „Auslöschung auszulöschen“, wie er selbst sagt. Für den Ich-Erzähler wird dadurch der Galerist Voigtländer zum „absoluten Feind“. Er zwingt den Schriftsteller, das Spiel der Auslöschung mitzuspielen.

Neben der gelungenen Verbindung zum frühen Prosaschaffen, geht es imRoman „Der absolute Feind“ um eines: um einen nach den Regeln des Turbokapitalismus agierenden Kunstmarkt – aber auch Buchmarkt. Das Buch stellt künstlerische Eigenständigkeit und ästhetische Maßstäbe infrage. Der Marktplatz für Kultur-Güter ist in grelles Licht getaucht, doch die dunkle Seite der Auslöschung bleibt ausgespart. Diesen Abgund hat Ernst-Wilhelm Händler für seine Leserschaft sichtbar gemacht.

Ernst-Wilhelm Händler:

„Der absolute Feind“.

S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 416 Seiten; 28 Euro.

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