Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Graham Nash ausgerechnet an dem Tag auf der Bühne des Circus Krone steht, an dem die Rolling Stones mit großem Bohei ihr neues Album ankündigen. Denn unterschiedlicher könnten die Rock-Senioren nicht sein. Während die Band in ihrem neuen Video die Schauspielerin Sydney Sweeney (25) Groupie-gleich im knappen Leder-Bustier an Projektionen ihrer jüngeren Ichs vorbeistrawanzen lässt, startet der sanfte Gentleman sein Konzert mit „Wasted on the Way“, seiner Betrachtung verplemperter Zeit – und kommt dabei weitaus würdevoller rüber.
Natürlich ist auch diese Show im deutlich nicht ausverkauften Rund eine nostalgische Reise. Der 81-Jährige war hier schon mit den Hollies und Crosby, Stills & Nash, und er lässt das mehrheitlich grauhaarige Publikum teilhaben an den alten Geschichten: wie sein Dealer auf Hawaii mit ihm wettete, dass er vor dem Abflug auf die Schnelle keinen Song mehr komponieren könne – konnte er doch: „A Song before I go“. Wie er mit seiner Lebensgefährtin Joni Mitchell vom Shoppen ins behagliche Zuhause zurückkehrte und „Our House“ schrieb.
Die Band ist fantastisch – Gitarrist Shane Fontayne und Keyboarder Todd Caldwell spielen keinen Ton zu viel, und doch erschafft das Trio ein voluminöses, warmes Klangbild. Auch Stephen Stills „Love the one you’re with“ und Neil Youngs „Country Girl“ führt es auf – der Harmoniegesang den Vorbildern zum Verwechseln ähnlich.
Mittendrin der agile Nash, grundsympathisch – und auch tapfer. Denn so albern der Hedonismus der Stones heute wirkt, so vergeblich ist letztlich auch der Kampf der alten Hippies, wie er einer ist, für eine bessere Welt geblieben. Putin, die Klimakrise – alles thematisiert Nash. Aber er muss resigniert feststellen: „Die Klimakrise wird unfassbar viele Menschen das Leben kosten. Was können wir tun? Wir können dieses Lied singen.“ Und die Band spielt den neuen Song „A better Life“. Es ist keine verplemperte Zeit.