Sozialstunden statt Fegefeuer

von Redaktion

PREMIERE Die Komödie im Bayerischen Hof zeigt „Der Brandner Kaspar 2: Er kehrt zurück“

VON KATRIN BASARAN

Wie gut, dass sie den Eisi Gulp haben. Darauf einen Kerschgeist, ach was: Zehn Flaschen müssen her! Ohne den 67-Jährigen als Boandlkramer wäre „Der Brandner Kaspar 2: Er kehrt zurück“ an der Komödie im Bayerischen Hof nicht viel mehr als ein Mundart-Klamauk mit modernen Akzenten, wenn auch kurzweilig erzählt. Der Weiterdreh der originalen Geschichte des Schriftstellers Franz von Kobell von 1871 stammt aus der Feder von Wolfgang Maria Bauer: Der Münchner Autor, Regisseur und Schauspieler („Siska“) hat sich die Sause nicht nur ausgedacht und führt Regie – er spielt den Brandner Kaspar auch gleich selbst. Eine prima Entscheidung: Die ausgebuffte Volkstheater-Figur steht dem 60-Jährigen ebenso gut wie die Lederhosen.

Der Brandner, dieses sympathische Schlitzohr vom Tegernsee, schmort – man kann es nicht anders sagen – mittlerweile seit sieben Jahren im Paradies vor sich hin, gelangweilt vom ewigen Müßiggang, von Flügelschlag und Weißwurst-Frühstück. „Mir is fad, i kann die Eva mittlerweile verstehen“, klagte er einmal. Durch ein Fernrohr hat er die Irdischen im Blick, vor allem den Flori. Der hat Kaspars Enkelin Marei geheiratet, die wieder schwanger ist. Das Geld ist knapp, der Flori verzweifelt, er hat daher einen riskanten Plan im Kopf. Der Brandner Kaspar muss eingreifen, weg aus diesem Himmel der Bayern, zurück auf die Erde – nur wie?

Zeit, den Boandlkramer zu einem neuerlichen Pakt zu „überreden“. Und Eisi Gulp als Gevatter Tod mit seiner Schwäche fürs Karteln und für Kerschgeist ist wahrlich eine Naturgewalt: so witzig-verdrießlich, doch weise und allwissend um die Natur des Menschen in all ihren Facetten. Gulp kann hier sein ganzes komödiantisches Können – in Mimik, Gestik und Stimme – offerieren. Selbst als sturzbetrunkener Tod, der uns eines Tages ja alle holt, strahlt er doch jene Würde aus, die dem Amt gebührt. Großartig anzusehen ist sein Wechselspiel mit Bauer als Brandner, die wieselflinken Wortduelle zwischen beiden, wie sie verhandeln, umeinander kreisen und der Brandner lauert, bis der Boandl nachgibt. Die zwei sind ein herrliches Team.

Auch deshalb, weil sie es in dieser verbalen wie körperlichen Interaktion schaffen, die alte Geschichte in neue, aktuelle Gefilde zu lotsen: Der Tod outet sich in seiner sexuellen Identität als divers, ist manchmal sie oder er oder beides zugleich, er mault über Veganer und Yogabesessene, die jetzt länger lebten, schimpft über Gesundheitsminister Karl Lauterbach und regt sich mächtig auf über die 22 Prozent „geschichtsvergessenen Total-Deppen“ in Deutschland. Auch „Hubsi“ Aiwanger bekommt sein Fett weg.

Und munter geht’s zwischen Gstanzln und Dirndln weiter mit der Moderne: Die betrügerische Witwe des Bürgermeisters hatte „218 Männer und sieben Frauen“, aber ihr Herz hing doch stets nur an den Zamperln, für den Tierschutz mit Sitz auf den Bahamas sammelte sie Spenden. Als himmlische Strafe gibt’s kein Fegefeuer, sondern Sozialstunden.

Es ist also nicht so, dass dem Stück die guten Momente ausgehen. Im Gegenteil, es wirkt mitunter eher überfrachtet, vor allem im zweiten Teil kippt die Story ins Absurde. Die Bühne ist denn doch etwas knapp für die insgesamt 16 Darsteller inklusive Musiker und Gstanzl-Sänger Daniel Zacher. Und wenn der Boandlkramer mit seinem Gefährt samt Sarg und Pferd über die Bühne kutschiert, rangiert und wendet, wird’s wahrlich eng.

Auf der Freiluftbühne Wunsiedel, wo das Stück bei den Luisenburg Festspielen 2021 Premiere feierte, wirkte das wohl anders. Am Ende hat man viel gelacht, manches überdacht, und womöglich fühlt man sich auch leicht geschlaucht. Was freilich daran liegen könnte, dass man sich als „Zuagroaste“ sehr auf die Mundart konzentrieren muss. Sonst hapert’s mit dem Verständnis – und das wäre mitunter wirklich schade. Jubel.

Vorstellungen

bis 15. Oktober;

komoedie-muenchen.de,

Telefon: 089/29 28 10.

Den Brandner

langweilt

das Paradies

Manchmal wird es auf der Bühne etwas eng

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