Großes Ohrenkino

von Redaktion

Das Fuchsthone Orchestra in München

VON REINHOLD UNGER

Eine weibliche Doppelspitze: Damit hat das Fuchsthone Orchestra ein Alleinstellungsmerkmal unter den orchestralen Jazzformationen. Christina Fuchs und Caroline Thon (Foto: Beushausen) schreiben das Repertoire für ihren 15 Männer und fünf Frauen starken Klangkörper, die jeweilige Komponistin dirigiert.

Um „Structures & Beauty“ (so der Titel der aktuellen CD) geht es, wobei sich in der Münchner Unterfahrt schnell zeigt, dass die Strukturen komplex sind, die Schönheit kein Idyll ist. In „Iceland“ von Fuchs etwa integriert Sängerin Filippa Gojo eine Rede von Greta Thunberg, während Eva Pöpplein hinter ihrem Laptop die Eisberge bedrohlich bersten lässt.

Womit schon drei Charakteristika des Orchesters genannt wären: Gojo, die vom instrumentalen Stimmeinsatz bis zur durchgeknallten Operndiva alles beherrscht, der poltische Anspruch und die geschickt zur kreativen Irritation genutzte Elektronik. Die musikalischen Mittel sind vielfältig und werden mit Raffinesse und Mut zu Brüchen eingesetzt, wobei Einflüsse der Neuen Musik die Bigband-Tradition überformen und transformieren. Das kann beinahe sinfonische Wucht entwickeln – und zerfällt überraschend in ungewöhnliche Kleinformationen.

Dann schieben wieder das jazzige Momentum von 13 Bläsern und rockige Grooves wie tektonische Soundplatten gegeneinander, aber es kommt nicht zur Katastrophe, sondern zu reizvollen Reibungen. Das ist Breitwand-großes Ohrenkino mit verblüffenden Twists, zusammengehalten von den in den „Drehbüchern“, sprich: Partituren von Fuchs und Thon geschickt verwobenen Erzählebenen. Diese Doppelspitze ist doppelt spitze.

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