Er sei in den Siebziger- und Achtzigerjahren im „Agitprop“-Kabarett („Viele Informationen, wenige Pointen“) seines Vaters am Schwabinger Rationaltheater sozialisiert worden, sagt Max Uthoff. Ein bisschen hat der 56-Jährige in Sachen Satire das Erbe Reiner Uthoffs angetreten. Die Fakten müssen stimmen, das ist oberstes Gebot für den gebürtigen Münchner, der erst Jura studierte, bevor es ihn dann doch auf die Bühne zog. Seit 2014 leitet er zusammen mit Claus von Wagner „Die Anstalt“ im ZDF, doch Max Uthoff ist seit Jahr und Tag auch solo unterwegs. Heute um 19.30 Uhr hat im Leo 17 sein neues Programm Premiere. Es trägt den Titel „Alles im Wunderland“.
Mit dem „Wunderland“ im Programmtitel kann doch nur Deutschland gemeint sein, oder?
Da lege ich mich nicht fest. Das kann Deutschland sein, dann ist es das Wunderland für alle, die hierherkommen wollen. Es kann aber Europa sein oder die Welt. „Wunderland“ ist eine Allegorie, die man mit verschiedenen Bedeutungen füllen kann.
Der Wohlstand des Nordens auf Kosten des Südens war ein wichtiges Thema in Ihrem vorherigen Programm – ist es das immer noch?
Ja, ich befürchte, ich komme nicht davon los. Wenn man über das Hier und Jetzt spricht, spricht man immer auch über das System. Das heißt, ich kann mich, wenn ich über Politik spreche, nicht freimachen von den politischen Zuständen, die hier herrschen. Aber es geht nicht nur darum. Ich mische die Elemente. Die Freiheit der Stand-up-Comedy besteht ja darin, über Dinge zu sprechen, die man komisch findet, und die Freiheit des politischen Kabaretts besteht darin, nicht ständig Pointen machen zu müssen. Wenn ich also über Themen spreche, die mich wütend machen, dann gibt es am Ende eben keinen Lacher.
Zur Halbzeit der Legislaturperiode scheint die Akzeptanz der Ampel am Nullpunkt angekommen zu sein. Klimaschutz ist ein Schimpfwort geworden. Woher rührt Ihrer Meinung nach diese extreme Polarisierung zwischen Regierenden und Regierten.
Eine Diskrepanz zwischen dem, was die Regierung tut, und dem, was die Bevölkerung erwartet, gab es doch schon immer. Die extreme Polarisierung rührt meiner Meinung nach daher, dass die Menschen spüren, dass die Dinge, die mit Blick auf die Klimakrise beschlossen werden – und beschlossen werden müssen –, Veränderungen im Alltag bedeuten. Das lässt sie den Streit um das Heizungsgesetz so emotional führen. Verzicht ist nicht gewollt, wenn man noch ganz gut lebt, hier in Deutschland, Es soll alles so bleiben, wie es ist.
Mit dieser Polarisierung einher geht – so scheint es – eine Verrohung der Sprache, bis weit in bürgerliche Kreise hinein. Keine Äußerung scheint radikal genug, eine große Mehrheit sagen zu lassen: „Jetzt reicht’s!“ Wie kommt das?
Diese Trumpisierung ist gewollt. Alexander Gauland (damals Fraktionschef der AfD im Bundestag, Red.) hat schon vor Jahren angekündigt: „Wir wollen die Grenze des Sagbaren verschieben.“ Und das passiert jetzt. Ich befürchte nur, dass diese Radikalisierung der Sprache dazu führt, dass auch die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten zunimmt.
Hat der sogenannte linke Mainstream nicht vielleicht doch dafür gesorgt, dass die, die in manchen Fragen anders gedacht haben, sich nicht getraut haben, es auszusprechen, aus Angst, in die rechte Ecke gestellt zu werden?
Ich halte den Begriff vom „linken Mainstream“ für eine Chimäre. Es gibt übrigens auch keinen Linksruck in der Politik, wie von rechts behauptet wird. SPD und Grüne sind zwar in der Regierung, an tatsächlichen Reformen aber nicht interessiert. Und dass die Medien alle links sind, ist auch nur Einbildung.
Ich rede nicht von der Gegenwart, sondern von den Jahren, in denen Gerhard Schröder und danach Angela Merkel regiert haben. Es gibt ja auch diese Umfrage von 2020, nach der Volontärinnen und Volontäre der ARD überwiegend grün wählen.
Es ist doch ein Trugschluss zu glauben, dass die Grünen eine linke Partei sind. Das sind sie schon lange nicht mehr. Die haben die wohlhabendsten Wähler. Und so sieht deren Politik auch aus. Sie versuchen schon, etwas zu ändern, weil sie verstanden haben, dass der Klimakollaps uns früher droht, als wir alle dachten. Aber sie sind in einer Koalition gefangen mit dem größten Bremsklotz, den man sich vorstellen kann – der FDP. Und dieses Kuddelmuddel schafft kein Vertrauen. Mal zeigt die Ampel Rot, mal Grün, mal blinkt sie gelb – dann ist die Unfallgefahr ja bekanntlich am größten. Solange Angela Merkel regiert und den Stillstand zelebriert hat, konnte man leicht „links“ sein, weil das keine Konsequenzen für das eigene Leben hatte. Doch langsam scheint das Bewusstsein dafür zu wachsen, dass es so nicht weitergehen kann.
Dafür will ja eine junge Generation sorgen, die sich auf Straßen klebt und jüngst das Brandenburger Tor mit Farbe beschmiert hat. Ist das die richtige Strategie oder doch eher kontraproduktiv?
Ich glaube, die Aufmerksamkeit, die man mit solchen Aktionen erregt, zeigt schon, dass das nicht kontraproduktiv ist – völlig unabhängig davon, ob sie sinnvoll sind. Natürlich kann ich den Frust der Autofahrer, die zu spät ins Büro kommen, nachvollziehen, aber wir müssen schon mal fragen, worum es hier geht. Diese jungen Menschen haben Angst um ihre Zukunft. Sie als Klimaaktivisten zu bezeichnen, ist im Übrigen sprachlich falsch. Der wahre Klimaaktivist ist der SUV-Fahrer, der sich jeden Tag, egal für welche Strecke, in seine drei Tonnen schwere Metallkiste setzt, die unfassbar viele Ressourcen verbraucht und unfassbare Folgeschäden für die Umwelt produziert. Das, was die Letzte Generation da macht, ist im Grunde Notwehr gegen diese Art Klimaaktivismus.
Die AfD erstarkt scheinbar unaufhaltsam, es ist gut möglich, dass sie im bei den Landtagswahlen im Osten im kommenden Jahr stärkste Partei wird. Was sagen Sie dazu?
Das macht mir große Sorgen, denn die sogenannte Brandmauer existiert hier in Wahrheit gar nicht. Wir werden uns in der nächsten „Anstalt“ damit beschäftigen, was passiert, wenn die AfD tatsächlich an die Macht kommt. Die Strategie ist klar, sie werden agieren wie die Regierungen in Ungarn und Polen, indem sie Einfluss auf die Justiz und auf die Medien zu nehmen versuchen.
Treten Sie eigentlich selbst in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen auf?
Ich spiele demnächst in Erfurt!
Unter Polizeischutz?
Sagen wir so: Wer zu mir kommt, weiß schon, was ihn erwartet. Mein Ansatz ist ein linkes Kabarett, ich halte unser System für nicht gerecht, es produziert und reproduziert Ungleichheit. Es wird interessant sein zu sehen, was passiert, wenn ich über die AfD rede. Es gibt im Publikum durchaus eine Schnittmenge zwischen linken und rechten Positionen.
Ist es denn schon vorgekommen, dass es während einer Vorstellung Proteste gab?
Ja, im alten Programm, in dem der AfD-Teil noch länger war, als er jetzt sein wird, und auch relativ hart, gab es schon einmal Protest, es sind auch welche aufgestanden und gegangen. Die anderen haben sich dann aber mit mir solidarisiert und applaudiert. Manchmal erzielt man Wirkungstreffer.
Das heißt, Sie freuen sich, wenn es zu Tumulten kommt?
Nein, ich bin nur überrascht, weil ich natürlich davon ausgehe, dass die Übereinstimmung meiner Positionen mit denen des Publikums relativ groß ist. Das ist es ja, was man dem Kabarett vorwirft: Dass man immer zu den bereits Bekehrten predigt. Ein Vorwurf, der für mich ein bisschen ins Leere läuft, ich werfe ja Leuten, die auf ein Helene-Fischer-Konzert gehen, auch nicht vor, dass sie deren Musik mögen.
Interview: Rudolf Ogiermann.