Ja, ja, die Kultur. Ein netter Zeitvertreib. Am Sonntag bei der Landtagswahl in Bayern aber geht’s doch um viel Wesentlicheres. Um harte politische Fakten statt weiche Wohlfühlthemen wie Tanz, Gesang, Theater. So der häufig gehörte Irrglaube mancher Wählerinnen und Wähler. Dahinter steht die Annahme, Kunst und Kultur seien ein Luxus, den sich eine Gesellschaft leiste, wenn sie in Wohlstand lebt. In Wahrheit stimmt das Gegenteil: Kunst und Kultur sind eine der Grundlagen dieses Wohlstandes. Eine reichhaltige Kulturlandschaft zieht die Kreativen, die Innovativen, die Schlauen an. Seit Jahresbeginn engagiert sich die Initiative Kulturzukunft – von Anna Kleeblatt und Markus Michalke aus der engagierten Bürgerschaft heraus gegründet – deshalb dafür, dass in Bayern endlich vorausschauende Kulturpolitik betrieben wird (wir berichteten).
Und damit es nicht weitergeht wie derzeit etwa in der Landeshauptstadt München: Nationaltheater sanierungsbedürftig, Residenztheater sanierungsbedürftig, Herkulessaal sanierungsbedürftig. Dazu die bevorstehenden und laufenden Sanierungen in Stadtmuseum und Neuer Pinakothek. Garniert wird dieser Investitionsstau aus Nachlässigkeit mit der beschämenden Planung von Gasteig-Renovierung und neuem Konzerthaus.
In den vergangenen Monaten hat die Initiative Kulturzukunft alle sechs Wochen zu Veranstaltungen eingeladen, bei denen Vertreter aus Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft untereinander und mit den Bürgerinnen und Bürgern im Publikum darüber berieten, was sich ändern muss, damit Bayerns außergewöhnlich großer Kulturschatz weiter strahlt. Zum Abschluss befragte die Initiative nun noch einmal alle zur Landtagswahl antretenden Parteien explizit zu den drängendsten kulturellen Themen. Die zurückerhaltenen Antworten von AfD, Bayernpartei, CSU, FDP, Freien Wählern, Grünen, ÖDP, Partei der Humanisten, SPD und Tierschutzpartei wurden ausgewertet und bilden die Grundlage für den „Kultur-Wahl-O-Mat“. Durch 15 Fragen kann man sich online klicken, eine der je vier Antwortmöglichkeiten ankreuzen („Stimme zu“, „Neutral“, „Stimme nicht zu“, „These überspringen“) – und am Ende erfahren, welcher Parteilinie die eigenen Präferenzen am ehesten entsprechen.
Es geht um Fragen wie „Soll am Münchner Ostbahnhof im Werksviertel ein neues Konzerthaus gebaut werden?“ oder „Sollen die Eintrittspreise für staatliche Kultureinrichtungen nicht von der Regierung, sondern von den Einrichtungen selbst im Rahmen eines eigenverantwortlichen Umgangs mit Subventionen und Budgets festgelegt werden?“ Dabei betonen die Entwickler der Initiative Kulturzukunft: „Der Wahl-O-Mat stellt keine Wahlempfehlung dar, sondern ist eine Möglichkeit, sich über die Kulturpolitik zu informieren.“ Tatsächlich ist das Interessanteste gar nicht so sehr das Ergebnis (87 Prozent Tierschutzpartei bei der Verfasserin!?). Spannend ist, selbst einmal zu reflektieren, wie man zu so manchem Thema steht – beispielsweise zu der Frage, ob jungen EU-Bürgerinnen bis zum Alter von 27 Jahren freier Eintritt in die staatlichen Museen Bayerns gewährt werden sollte. Und ebenso spannend, zu lesen, was die jeweiligen Parteien kulturpolitisch planen. „Die Antworten und Begründungen der Parteien wurden unverändert übernommen.“
Am Sonntag gilt’s. Wer Kunst und Kultur nicht bloß als zu vernachlässigenden Luxus sieht, sollte vor dem analogen Weg ins Wahllokal noch einmal online gehen.
Den Kultur-Wahl-O-Mat
kann man im Internet auf der Seite der Initiative Kulturzukunft unter
initiativekulturzukunft.de/Wahl-o-mat/ durchspielen.