Ein Leben voller Widersprüche

von Redaktion

Terézia Mora hat mit ihrem Roman „Muna oder die Hälfte des Lebens“ Chancen auf den Deutschen Buchpreis

VON ANDREAS PUFF-TROJAN

Muna Appelius – so heißt die Heldin des Romans von Terézia Mora, der als einer von sechs Kandidaten auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises steht. Muna wächst in einer fiktiven DDR-Stadt auf. Ihr Vater stirbt früh an Krebs, ihre Mutter ist Schauspielerin, die zu oft und zu tief ins Glas schaut. Muna will weg aus dem Mief des Sozialismus. Man schreibt das Jahr 1989 – der Warschauer Pakt und die DDR befinden sich in der Auflösung. Doch Munas Befreiung ist eine andere.

Sie lernt Magnus kennen, Fotograf, Französischlehrer – und viel älter als sie. Dieser Mann wird zu ihrer großen Liebe. Doch Magnus verschwindet genauso plötzlich wieder, wie er in Munas Leben getreten ist. Sieben Jahre vergehen, bis sie ihn wiedersieht. Sieben Jahre, in denen viel passiert: Die junge Frau studiert englische und deutsche Literatur in Berlin und London. Lebt dann in Wien, eine akademische Laufbahn scheint sicher. Doch für Magnus lässt Muna schließlich alles stehen und liegen – die eigene Karriere erscheint ihr plötzlich unwesentlich.

„Der Mann war voller wunder Punkte, und ich kannte ihn nicht gut genug, um zu wissen, welche und wo ich sie vermeiden konnte.“ In der Tat bleibt Magnus rätselhaft. Er lebt mit Muna zusammen, ist zärtlich, dann wieder abweisend, schroff – und zum Schluss gewalttätig. An einer Stelle spricht Magnus voller Wut über seine Kindheit in der DDR. Die Eltern seien stasitreue Genossen gewesen, „rot gewordene Nazis“. Sicher gilt: Was man in der Kindheit und Jugend durchmacht, prägt einen – doch wird man, wie Magnus, deshalb beziehungsunfähig? Andererseits sind Munas Vorstellungen von Zweisamkeit getragen von rosarotem Kulissenzauber. Sie stilisiert Magnus zum Märchenprinzen, doch diese Zauberwelt hält der Realität nicht stand.

Terézia Moras Kunst liegt in der gekonnten Beschreibung eines fundamentalen Widerspruchs: Liebe auch dann noch einzufordern, wenn die Zuneigung des geliebten Mannes in Gleichgültigkeit, Zorn und Gewalt umschlägt. Der realistische Schreibstil der 52-Jährigen, der an vielen Stellen auch humorvoll ist, lässt einem beim Lesen kaum Zeit aufzuatmen. Nach der Lektüre wird klar: Muna Appelius ist eine Frau, die zwar über hohe intellektuelle Fähigkeiten verfügt, aber in Sachen Liebe eine fatale Traumtänzerin ist. Feministisch gesinnte Ladys sehen anders aus. Doch Muna hat ja noch die zweite Hälfte ihres Lebens vor sich.

Terézia Mora:

„Muna oder die Hälfte des Lebens“. Luchterhand, München, 441 S.; 25 Euro.

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