Die Crux ihres Berufs sowie der Profession, der Ruth Walz nachgeht, offenbart sich im Gang des Deutschen Theatermuseums, der die Gäste in die oberen Räume führt. Hier hängen sie also einander gegenüber: Walz’ Theaterfotos im Original – und Ausrisse der Rezensionen und anderer Artikel, zu deren Bebilderung sie einst in Zeitungen und Magazinen gedruckt wurden. Natürlich sind die Motive teilweise beschnitten, manche wurden gar gespiegelt – schließlich mussten sie den Anforderungen des Feuilletons und des jeweiligen Layouts gerecht werden. Logisch.
Klar aber auch, dass das Herz der Künstlerin sich bei manchem Anblick verkrampft, denn das ist das Dilemma: Theaterfotografie ist Dienstleistung, für die Häuser und Festivals, für die Medien. Sie ist aber freilich auch Kunst – und die kommt nun am Münchner Hofgarten zu ihrem verdienten Recht; in einer Schau, die selbst an eine Inszenierung erinnert. „Doppelbelichtung“ findet einen sehr sinnlichen Zugang zum Schaffen von Walz, die 1941 in Bremen geboren wurde. Es ist die dritte Ausstellung innerhalb eines Jahres, die sich ihrem Werk widmet. In Berlin war „Theater im Sucher“ zu sehen, und noch bis 12. November zeigt das Museum der Moderne in Salzburg „Vorhang auf!“. Für München wird der Blickwinkel geweitet durch Walz und ihre Kuratoren-Kollegen, Schauspieler Hanns Zischler sowie Regisseur Thomas Ladenburger, der derzeit an einem Dokumentarfilm über die Künstlerin arbeitet, der 2025 in die Kinos kommt.
Da treten also Walz’ Fotografien zum einen in den Dialog mit Arbeiten von Abisag Tüllmann (1935-1996), die beiden Freundinnen teilten mitunter das Labor und stritten übers richtige Papier für Abzüge: Wer das Museum besucht, mag selbst entscheiden, wer recht hatte. Zum anderen werden wunderschön ausgeführte Zeichnungen von Bühnenbildner Karl-Ernst Herrmann, dessen Nachlass das Haus gerade übernommen hat, sowie von Kostümkünstlerin Moidele Bickel mit den Fotos kombiniert. Von mehr als 30 gemeinsamen Produktionen an der Berliner Schaubühne, die zwischen 1970 und 1989 entstanden sind, werden neun Inszenierungen vorgestellt, vor allem Stücke von Botho Strauß.
Zischler, der die Fotografin kennenlernte, als er in den Siebzigern Dramaturg an der Schaubühne war, hat ein schlankes, aber überzeugendes Textkonzept entwickelt, um die längst abgespielten Arbeiten auch für jene erfahrbar zu machen, die sie nicht gesehen haben: Mit Zitaten deutet der Schauspieler, dessen neuer Film „Die Theorie von Allem“ am 26. Oktober anläuft, den „Grundgedanken des Stückes“ an; prägnante Pressestimmen sorgen für Zeitkolorit, vor dessen Hintergrund Walz’ Kunst vor allem eines dokumentiert: ihre Zeitlosigkeit. Da die 82-Jährige sich aber nicht nur fürs Bühnengeschehen interessiert, sondern für den kompletten Betrieb, für Proben und die Arbeit im Maschinenraum der Bühnenkunst, hat Ladenburger dieses Prinzip auf „Doppelbelichtung“ übertragen: Eine Installation aus Dia-Projektoren, zig Kameras, vor allem aber der begehbare Nachbau eines Fotolabors lassen die Technik der Zeit auferstehen und geben einen plastischen Eindruck davon, wie viel Engagement in der „Liebeserklärung“ steckt, von der Direktorin Dorothea Volz spricht. Eine Liebeserklärung „an die Fotografie, an das Theater, vor allem an die Menschen, die das Theater machen“. Und diese Liebe pulsiert kraftvoll am Hofgarten.
Bis 4. Februar
Di.-So., 11-17 Uhr,
Galeriestraße 4a; weitere Informationen – auch zum Rahmenprogramm – unter www.deutschestheatermuseum.de.