Ganz schön was los im Untergeschoss des Museum Brandhorst. So viele Menschenbilder; so viele Geschichten, die Fotokünstlerinnen und Fotokünstler aus aller Welt in den Arbeiten, die seit gestern hier hängen, erzählen – und die die Besucher gedanklich weiterspinnen können.
Doch das ist erst ein Drittel dessen, was Eva Felten dem Museum geschenkt hat. Seit 40 Jahren sammelt sie Kunst, insbesondere Fotografie. Aber was tun mit den 429 Werken von 140 Künstlerinnen und Künstlern, wenn Eva Felten einmal nicht mehr ist? Das besprach sie offen mit ihren Kindern; gemeinsam entschieden sie schließlich, die international bedeutende Sammlung dem Münchner Haus zu vermachen.
Große Freude bei Museumschef Achim Hochdörfer und seinem gesamten Team. Besonders glückselig strahlt bei der Vorabbesichtigung gestern Vormittag Kuratorin Monika Bayer-Wermuth, die die erste Ausstellung mit den neu hinzugewonnenen Schätzen konzipiert hat, im ständigen Dialog mit Eva Felten. Und weil die sehr frei war in ihrem Sammeln, in erster Linie nach Themen, nicht nach Namen ausgewählt hat, konnte auch Monika Bayer-Wermuth ihr bisher weniger bekannte Positionen entdecken. Die tschechische Fotografin Jitka Hanzlová beispielsweise.
Überhaupt fällt beim Rundgang auf, wie vielfältig die Hintergründe der Künstlerinnen und Künstler sind. Doch das Schöne ist: All das ist auf natürliche Weise gewachsen, ohne das Kalkül, besonders politisch korrekt wirken zu wollen. Eva Felten hat sich einfach von ihrer Leidenschaft leiten lassen. So ist eine im schönsten Sinne bunte Sammlung entstanden. Afroamerikanische Künstler und auffallend viele Künstlerinnen sind vertreten. Damit setzt diese Ausstellung nebenbei ein erfrischendes „Von wegen!“ der alten Behauptung entgegen, es würden nur deshalb meist vornehmlich die Arbeiten männlicher Künstler ausgestellt, weil es so wenig große Kunst von Frauen gäbe. Es gab und gibt sie – doch man muss sie eben sehen, wahrnehmen und, auch und besonders dies: kaufen.
Was Felten unübersehbar am meisten interessiert hat, sind Menschenbilder. Dabei startet der erste Kabinettraum mit Roni Horns Reihe „From some Thames“, auf der gar kein Gesicht zu sehen ist. Kein Widerspruch, im Gegenteil. Bayer-Wermuth hat diesem Raum ein Zitat vorangestellt: „Where you look from is always half the Picture“. Der eigene Blickwinkel ist immer das halbe Werk. Und so ist letztlich jedes Bild ein Menschenbild. Weil wir uns selbst darin spiegeln. Denn unser Blick ist immer von der eigenen Geschichte geprägt. Das Gewässer, dessen Wellenschlag Horn bildlich eingefangen hat, assoziiert der eine vielleicht mit fernen Sehnsuchtsorten, der Nächste mit Angst vor der Tiefe. Liest man dann, dass die Fotos Ausschnitte der Londoner Themse zeigen, ploppen sofort neue Assoziationen auf. Doch wie anders werden die sein, wenn man als Tourist drauf schaut, der in London fröhliche Stunden in der Vorweihnachtszeit verbracht hat – oder als einer, der die Insel auf der Flucht übers Meer erreicht hat.
„Der eigene Blickwinkel ist immer das halbe Bild“ – hier gibt es reichlich zu entdecken. Im besten Falle: sich selbst.
Bis 7. April
täglich (außer Mo.) 10 bis 18, Do. bis 20 Uhr.