Letzte Ausfahrt: Musik

von Redaktion

„Brauchen Sie ‘ne Quittung?“ mit Anja Kruse und Ingolf Lück in Münchens Komödie

VON KATRIN BASARAN

Es kann eine schmerzhafte Erfahrung sein, älter zu werden, zu akzeptieren, dass man Platz machen muss für Jüngere. Zu sinnieren über Träume, die man vergaß zu leben. Man kann freilich auch die Chancen sehen, auf den Schatz an Erfahrungen aufzubauen und mit Mut Neues zu wagen. Es geht um vieles in dem Stück „Brauchen Sie ’ne Quittung?“, erdacht von René Heinersdorff und mit Kompositionen von Harold Faltermeyer. Vor allem aber geht es um Musik, die Menschen einen und auch heilen kann.

Das Duo hat diese Themen in einen musikalischen Abend für zwei gegossen. Die wichtigste Erkenntnis freilich: Ingolf Lück kann beachtlich gut Saxofon spielen, und Anja Kruse kann singen. Am gestrigen Donnerstag feierte die verwirrende Sause um ein schräges Paar in Münchens Komödie im Bayerischen Hof Premiere; wir waren bei der Generalprobe am Mittwoch.

Blickfang der Bühne ist ein an Londoner Taxis erinnerndes Gefährt inklusive Rechtslenkrad, gelb lackiert und auf eine Drehscheibe montiert. Eine „Brexitkutsche“, wie Lück als Taxifahrer Jens Sebastian Küppers seiner kurz angebundenen Kundin (Anja Kruse) erklärt. Er hält sie zunächst für eine „Schwabinger Bordsteinschwalbe“, die sich dann jedoch als gealterter Schlagerstar Polly Hunter, bürgerlich Frauke Jäger, entpuppt. Die Jahre voller Glanz und Glamour sind Vergangenheit. Die Frage „Brauchen Sie ’ne Quittung?“ ist dann der Einstieg in eine merkwürdige Geschichte, die sich zwischen beiden entspinnt. Ist er ein Stalker oder einfach penetrant? Ist sie arrogant oder vorsichtig?

Die vor allem anfangs nur schwer in Fahrt kommende Handlung, in der man nach und nach die Geschichten der beiden erfährt, gerät jedoch fast zur Nebensache – auch, weil sich etliches im Wageninnern abspielt, in das man aber nur schwer hineinsehen kann. Vielmehr bietet sich für die beiden Darsteller Anja Kruse und Ingolf Lück die Möglichkeit, eine weitgehend unbekannte künstlerische Seite in den Vordergrund zu stellen: Wenn Kruse als Polly Hunter den für sie geschriebenen Schlager „Nur die Liebe zählt“ zum Besten gibt und dazu die leidende Mimik und die typisch weit ausholenden Bewegungen inklusive Schlagerfaust und sexy Schreiten parodiert, ist das einerseits lustig – „Es ist vorbei, Cherie, wir sind History“ – und andererseits überraschend wohlklingend. Die Frau hat Stimme!

Da hätte Helene Fischer sicher Augen gemacht! Humor hätte die Schlagerqueen freilich auch gebraucht. „Das Mädchen tut mir leid. Dass sie so etwas noch singen muss! Sie hat kein musikalisches Gewissen“, heißt es in einem Dialog, passend tönt dazu blechern „Atemlos“ aus dem Radio.

Auch Lück beweist Musikalität: Als oft an den Nerven sägender Taxler mit Leidenschaft für Jazz singt er passabel und beeindruckt mit Virtuosität auf verschiedenen Saxofonen. Auf Umwegen finden die beiden Figuren zueinander und eine neue Perspektive – über die Musik, aber anders als vermutet. Lück und Kruse harmonieren dabei gut, wobei sich die beliebte Schauspielerin wacker gegen seine übergroße Präsenz stemmen kann. Viel Applaus.

Weitere Vorstellungen

bis 12. November; Telefon 089/29 28 10 oder www.komoedie-muenchen.de.

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