Poetische Kurzgeschichten

von Redaktion

Becca Stevens mit kunstvoll-bezaubernden Songs in der Münchner Unterfahrt

VON REINHOLD UNGER

Gleich zu Beginn informiert Becca Stevens ihr Publikum in der ausverkauften Münchner Unterfahrt, dass sie vorwiegend neue Songs aus einem soeben aufgenommenen Album singen werde. Man sei also Zeuge eines sehr frühen Pre-Release-Konzerts, denn erscheinen werde die Platte erst in etwa einem Jahr, weil, so sagt Stevens lachend und deutet auf ihren unübersehbar gewölbten Bauch: „Erst mal muss ich das hier rausbringen.“ Diese Mischung aus Privatem und lakonischem Humor, Verletzlichkeit und Selbstironie prägt auch viele ihrer Texte, etwa wenn sie sich in „I’m not her“ mit Instagram-Influencerinnen vergleicht, die ihre Inszenierung von Schönheit und Müßiggang zum lukrativen Geschäftsmodell gemacht haben.

Eine Singer-Songwriterin im Jazzclub? Ja, aber was für eine. Stevens, die Jazzgesang und Komposition studiert hat, gelingt ein leichtfüßiger Balance-Akt zwischen Indie-Folk und Art Pop, mit jazzigen Harmonien raffiniert veredelt. Bassist Chris Tordini und Schlagzeuger Jordan Perlson sind versierte Jazzer, die Stevens’ effektvoll-sparsame Arrangements mit tieftönendem Kontrapunkt und sanft tänzelnden Rhythmen umsetzen.

Stevens selbst begleitet sich auf der akustischen Gitarre und wechselt auch mal zur klanglich noch reizvolleren Ukulele. Für die Pop-Charts ist das zu eigenwillig, zumal Stevens’ Songs selten dem klassischen Chorus-Refrain-Schema folgen und bisweilen eher poetische Kurzgeschichten sind. Am ehesten könnte man als Referenz an die ebenfalls Jazz-affine Joni Mitchell denken, von der die erste Zugabe stammt, doch ist Stevens’ Stimme kraftvoller und modulationsfähiger, ihr Timbre deutlich dunkler. Kunstvoll bezaubernde Songs, an der Oberfläche scheinbar nichts Besonderes – und doch so besonders.

Artikel 7 von 9