Nach der Pause ist kurz seine Stimme zu hören: Michael Haneke erklärt, warum er in seinem Film von zwei alten Menschen und deren Ende erzählt. Das sei „der tragische Fall, der uns alle erreicht“. In „Liebe (Amour)“ schildert der Österreicher den Lebensabend eines Paares in Paris. Seine genau beobachtete Produktion, die 2012 ins Kino kam, thematisiert Krankheit, den Verlust von Lebensqualität, häusliche Pflege, Überforderung von Patient und Familie sowie Sterbehilfe.
Regisseurin Karin Henkel und ihr Dramaturg Tobias Schuster haben aus dem Drehbuch einen in vielerlei Hinsicht starken Theaterabend gemacht. Nach der Uraufführung bei den Salzburger Festspielen Ende Juli (wir berichteten) ist diese Koproduktion mit den Kammerspielen nun endlich in München zu sehen; am Samstag war die heftig beklatschte Premiere.
„Liebe (Amour)“ überzeugt auch beim zweiten Schauen. Denn Henkel findet einen eigenen theatralen Zugang zu Hanekes Geschichte, die sie geschickt erweitert. Während es am Tag zuvor bei „Anne-Marie die Schönheit“ im Staatsschauspiel um eine persönliche Lebensbilanz ging (siehe oben), stellen die Kammerspiele Fragen nach einem würdevollen Tod. Dabei vergisst Henkel den Zynismus der Gesundheitsindustrie, vor allem aber die Not der pflegenden Angehörigen nicht. Am Ende rufen beide um Hilfe: Anne, deren Angst und Verfall Katharina Bach intensiv nachzeichnet, sowie ihr Gatte Georges, dem André Jung den Ehrgeiz und die Verzweiflung des hilflosen Helfers einschreibt. Das ist eindrucksvoll und relevant.
Erinnern wir zum Ende aber an Elisabeth Petronella Wanninger. Sie gehörte zum Chor der Münchnerinnen und Münchner, die in dieser Inszenierung unprätentiös von sich berichten: von Leid und von Hoffnung – als Kranke oder Angehörige von Sterbenden. Wanninger erlitt nach der zweiten Aufführung bei den Festspielen einen Schwächeanfall und musste in die Klinik. Die letzte Salzburger Vorstellung wollte sie spielen, unbedingt. Sie überzeugte die Ärzte, ließ sich ins Landestheater bringen und trat am 10. August noch einmal mit ihrem Chor auf. Am 6. September ist die 93-Jährige in München gestorben.
Nächste Vorstellungen
am 2., 3., 6., 7. November; Telefon 089/23 39 66 00.