Das gallische Weltbild wankt

von Redaktion

„Die Weiße Iris“ ist der lustigste Asterix-Band seit dem Tod René Goscinnys

VON JÖRG HEINRICH

Auf Seite 21 des Asterix-Bandes „Die Weiße Iris“, der heute erscheint, gerät die gallische Welt endgültig aus den Fugen. Troubadix singt – und die neuerdings sanftmütigen und achtsamen Dörfler finden seine Schlager wie „Viva Lutetia“ oder „Claudius hat nen Schäferhund“, die sich Übersetzer Klaus Jöken so famos ausgedacht hat, gar nicht übel. Von wegen „Kunstfreiheit ist ein hohes Gut“ und „Auch akustische Minderheiten dürfen sich äußern“.

Der Durchbruch des Schiefsing-Barden in den Gallier-Charts ist einer der Höhepunkte des 40. Asterix-Bandes. Man traut es sich ja kaum zu schreiben: Der neue Autor Fabrice Caro alias Fabcaro (50) hat sich die vielleicht lustigste Gallier-Geschichte seit dem Tod von Asterix-Papa René Goscinny 1977 einfallen lassen. Der Südfranzose zündet mit Zeichner Didier Conrad (64) in dessen mittlerweile sechstem Band ein wahres Gag-Feuerwerk, in dem politische Korrektheit und wildschweinfreie Ernährung das gallische Weltbild über den Haufen werfen. Dafür sorgt Seelenmasseur und Psycho-Schönling Visusversus mit seiner Lehre von der Kraft der „Weißen Iris“. Ihn hat Cäsar entsandt, um seine geschundenen Legionäre seelisch aufzumöbeln – und um die Gallier zu verweichlichen.

Wie ihm das gelingt, erzählen Fabcaro und Conrad hinreißend amüsant. Weil Visusversus den Dörflern offenbart, dass Wildschweinfett die Arterien verstopft, futtern sie bald nur noch Gemüse – und Fisch, den Gammelfischhändler Verleihnix neuerdings fangfrisch aus dem Atlantik zieht. Da kann sich Obelix nur wundern: „Hä? Ist es nicht schädlich, Fische so kurz nach dem Fang zu essen?“

Auch sonst ist nichts mehr, wie es früher war. Dorfschmied Automatix hämmert mit „positiven Schwingungen“, und die kampfesmüden Römer lassen sich freiwillig verdreschen. Obelix hingegen will sich endlich wieder die Arterien verstopfen und blickt sorgenvoll in die antike Zukunft: „Als Nächstes erzählt mir noch jemand, dass Hinkelsteine zu gar nichts nutze sind…“ Am härtesten trifft die sanfte neue Welt Dorfoberhaupt Majestix, dessen Holde Gutemine endgültig keine Lust mehr auf den verfressenen Raufbold hat, den sie „Schnäuzelchen“ nannte. Sie brennt ohne ihr Ex-Schnäuzelchen durch, und die Geschichte nimmt ihren überaus unterhaltsamen Lauf.

Fabcaro erzählt sie im textreichsten Asterix aller Zeiten. „Ich hatte 15 Seiten mehr zu übersetzen als sonst“, verrät Klaus Jöken. Doch die Sprechblasen sind brillant geschrieben, voller versteckter Pointen. Und dass die Geschichte noch mehr Tempo vertragen könnte, wird Fabcaro bis zum nächsten Band 2025 gelernt haben, den er sich mit der „Weißen Iris“ allemal verdient hat. Wenn Fabcaro und Didier Conrad sinnvolle Ideen wie gesunde Ernährung, aber auch kruden Esoterik-Klimbim in die Welt von Asterix und Obelix bringen, dann lohnt es sich, das Heft drei- oder viermal zu lesen, um all die Gags und Pointen zu entdecken, die die beiden ausgeheckt und versteckt haben.

Ganz nebenbei geht es um den Ärger mit dem antiken ÖPNV, um Kult-Künstler Banksix und um die berechtigten Ängste des guten alten Cäsar: „Manchmal frage ich mich, auf welcher Seite du stehst, Brutus, mein Sohn.“ Gegendert wird übrigens nicht, denn dieses Thema spielt in Frankreich eine wesentlich geringere Rolle als bei uns. Aber irgendwie gilt im neuen Achtsamkeits-Asterix trotzdem: Die spinnen, die GallierInnen!

Fabcaro, Didier Conrad:

„Asterix 40: Die Weiße Iris“. Egmont Ehapa Media, Berlin, 48 Seiten; kartoniert 7,99 Euro, gebunden 13,50 Euro.

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