Fünf Jahre ist das erst her, dass Bariton Konstantin Krimmel mit der Balladen-CD „Saga“ einen Senkrechtstart hinlegte. Und heute? Zählt der gebürtige Ulmer mit der Riesenprognose schon zu den arrivierten Lied-Künstlern und ist Ensemblemitglied der Bayerischen Staatsoper. Der 30-Jährige übernimmt hier auch die Titelrolle in der Neuinszenierung von Mozarts „Le nozze di Figaro“. Premiere ist an diesem Montag.
Schon wieder eine Münchner Premiere: Fühlen Sie sich mit nur 30 Jahren hier schon komplett etabliert?
Nach fast zwei Jahren im Ensemble ist es für mich immer noch ein kleines Wunder und eine Ehre, mit großen Kolleginnen und Kollegen auf dieser Bühne stehen zu dürfen. Allein schon, wenn ich an die „Figaro“-Besetzung denke… Ich bin mit meiner Frau, die eine Stelle beim Bayerischen Rundfunk bekam, vor drei Jahren von Stuttgart nach München gezogen und habe mich sehr schnell zu Hause gefühlt. Aber weiterhin denke ich, wenn ich die Staatsoper betrete: Das ist ein kleines bisschen verrückt, dass du hier ein- und ausgehst.
Mitglied in einem Ensemble: War das überhaupt Ihr Plan? Oder war es der, sich mit Liederabenden durch die Karriere zu schlagen?
Das war ganz lange der Plan. Auch jetzt würde ich nicht sagen, dass ich komplett zur Oper wechsle. Als ich das erste Angebot fürs Münchner Ensemble bekam, habe ich lange damit gehadert. Natürlich ist das ein erstrangiges Haus. Ich wollte aber nicht in die Opernmühle und hatte Bammel davor. Ich wollte einfach weiter Zeit für Liederabende und Konzerte haben und sagte das der Intendanz auch so. Vielleicht war ich da ein Stück zu selbstbewusst. Doch dann wurden mir tolle Rollen angeboten und genügend Zeit fürs Lied zugesichert. Also habe ich nach einigem Überlegen zugesagt – auch aus den Erfahrungen der Corona-Zeit heraus, da eine feste Stelle Sicherheit bietet. Und jetzt genieße ich den Luxus, während der sechs Wochen Probenzeit für eine Premiere im eigenen Bett und nicht im Hotel zu schlafen.
Es wird beklagt, dass sich fürs Lied immer weniger Menschen interessieren. Wird das nun anders, weil auch solche Typen wie Sie in diesem Genre aktiv sind? Und nicht mehr großbürgerliche Dozenten à la Dietrich Fischer-Dieskau?
Mag sein, ich kann das nicht bewerten. Das Lied wurde auch früher von nur wenigen getragen. Es war nie etwas für die große Masse. Vielleicht war es früher populärer, weil nicht diese Vielfalt an Musik wie jetzt auf einen einstürmte. Eine Lied-Nachfrage gibt es aber tatsächlich. Ich muss nur die Terminkalender von mir und meinen Kollegen anschauen. Es ist eine Art Welle. Man sollte allerdings darauf vertrauen, dass die traditionelle Weise eines Liederabends funktioniert. Dass man ihn also nicht mit projizierten Bildern, Tanz oder Videos anreichert. Da denke ich mir: Vertraut ihr der Musik, dem Text so wenig? Man muss auch keine 2000-Plätze-Säle füllen. Ich möchte nächstes Jahrbewusst in kleinere Orte gehen. Gerade war ich in Bad Lauchstädt. Für solche kleinere Bühnen ist das Lied doch gemacht.
Auf der Opernbühne sind andere emotionale Dimensionen erforderlich. Mussten Sie das Außer-sich-Sein erst lernen?
Ja. Und dieses Lernen geht immer weiter. Ich hatte ganz lange keinen Drang zur Oper. Oder überhaupt einen zur Bühne. Ich komme aus dem Chorgesang: sich hinstellen, Noten in die Hand nehmen und einfach singen. Durchs Lied hat sich das verändert. Und es gibt im Liedbereich ja Balladen, die szenische Elemente haben. Gerade weil ich die viel gesungen habe, wurde mir immer wieder gesagt: „Du musst auf die Bühne und in Rollen schlüpfen, das passt zu dir.“
Was ist der Figaro für ein Typ? Revoluzzer? Angstbeißer, so wie es Dieter Dorn einst in seiner Münchner Regie zeigte? An den Strippen ziehen doch hier die Frauen…
Figaro mag anfangs naiv sein. Doch relativ bald schmiedet er Pläne, die sich auf die ganze Figurenkonstellation auswirken. Er verfolgt seine Ziele und sorgt dabei für Überraschungen. Er trumpft allerdings nicht auf, indem er alles groß hinausposaunt. Irgendwann ist er ehrlich verletzt, weil er seiner Susanna dieses Spiel mit der Liebe nicht zugetraut hätte. Und dann kommt er richtig in Fahrt. Ungeheuer vielschichtig, Mozart eben. Ich erfahre quasi in jeder Probe neue Facetten.
Sie singen hier auch den Papageno in August Everdings legendärer „Zauberflöte“. Ist das wie „Nachts im Museum“?
Klar. Ich find’s grandios. Ich bete dafür, dass diese bezaubernde Produktion noch lange weiterläuft. Das ist die pure Magie der Oper. Schön zum Anschauen, sinnhaft, inhaltlich so reich. Und nach über 40 Jahren funktioniert auch noch alles mit der Bühnentechnik.
Sie haben einige Dinge vor der Karriere ausprobiert. Gebirgsjäger bei der Bundeswehr in Mittenwald zum Beispiel. Hätte die Sache also auch anders ausgehen können?
Ich war kurz davor, für 13 Jahre und für eine Offizierslaufbahn zu unterschreiben. Doch dann habe ich mir die Sache erst einmal angeschaut. Ich bereue die Zeit im Hochgebirgszug nicht, weil meine andere Leidenschaft eben der Sport ist. Wandern, Klettern, Skifahren, Skitouren. Ich merkte allerdings, dass ich nicht in den Bundeswehr-Rahmen passe. Vorher war die Musik mein Hobby, während der Bundeswehr-Zeit war sie weg. Und da spürte ich, was das für eine innere Unruhe auslöst.
Sich für die Bundeswehr zu entscheiden, ist ja nicht nur in Ihrer Generation der Ausnahmefall. Brauchten Sie zunächst dieses organisierte Dasein?
Für meinen rumänischen Opa mütterlicherseits war immer die ehrliche Arbeit beim Staat das Nonplusultra. Er hatte anfangs Probleme damit, meine Existenz als freier Künstler zu verstehen. Als er gehört hatte, dass ich hier ins Ensemble ging, war dann alles gut. Mein Vater war Lehrer und Rektor, ich bin das älteste von vier Kindern. Und in einer solchen Konstellation mit der Musik anzukommen, war erst einmal nicht so einfach. Da ich die sportlichen Ambitionen hatte, dachte ich mir also: Hey, vielleicht ist die Bundeswehr ja was. Das ist aber zehn Jahre her, und vielleicht kannte ich mich damals noch nicht gut genug. Meine Schwester ist zwar bei der Bundespolizei, ein Bruder hat aber Musical studiert, der andere studiert in Stuttgart Gesang. Also bin ich nicht ganz das schwarze Schaf.
Wie hat man sich das vorzustellen? An freien Operntagen fahren Sie ins Karwendel zum Klettern?
So in etwa. Meine Frau ist ähnlich drauf wie ich. Wenn wir drei, vier Tage freihaben, setzen wir uns in den Camper, und dann geht’s in die Berge. Das ist mein Ausgleich. Andere gehen eben lieber Golfen. Hätte ich mehr Zeit, würde ich in der Nähe eines Reitstalls leben. Meine Frau ist leidenschaftliche Reiterin. Aber sich um ein Pferd zu kümmern, das schaffen wir beruflich nicht. Die Berge sind dagegen immer da, können sich selbst versorgen, und wenn’s mich juckt, kann ich jederzeit dorthin.
Das Gespräch führte Markus Thiel.
Premiere
am 30. Oktober;
Telefon 089/21 85 19 20.