März 2012 im Berliner Ensemble. Der Anlass war ein trauriger, aber ihr Auftritt war ein außerordentlicher. Eine große Trauergemeinde hatte sich eingefunden, um des verstorbenen Regisseurs Thomas Langhoff zu gedenken. Cornelia Froboess war einer jener Menschen, die für ein paar Worte der Erinnerung die Bühne betraten, um noch einmal den Künstler, den Freund zu würdigen.
Doch so hatte man die Froboess kaum je erlebt: temperamentsprühend und, ja, voller Witz und Komik. Als würde sie, die Komödiantin, ihn mit ihrem Auftritt noch einmal ins Theater, also ins Leben zurückholen. Nämlich mit der Erzählung, wie im Mai 1990, kurz nach der Wende, Langhoffs Münchner Inszenierung „Die Frau vom Meer“ zum Berliner Theatertreffen eingeladen worden war und das gesamte Aufführungsteam mit einem gecharterten Bus vom Hotel im einstigen Westberlin zum Deutschen Theater im vormaligen Ostberlin fuhr.
Die Froboess, als Hauptfigur Ellida Wangel natürlich mit dabei, führte nun 22 Jahre später den Anwesenden im Saal gestisch, mimisch und sprachlich in Hochform vor, wie damals Langhoff während der Busfahrt seine West-Schauspieler auf die ehemalige Hochburg der deutschen, zuletzt der sozialistischen deutschen Schauspielkunst einstimmte.
Es war, als brächte sie mit dieser einzigartigen Performance zwischen Trauer, Parodie, Humor und Andacht noch einmal diesen gesamtdeutschen Stern zum Leuchten. Als würde die symbiotische Künstler-Beziehung zwischen der Schauspielerin und dem Regisseur ihre Wurzeln haben in jener Stadt, die immer die ihre war: Berlin. Allerdings in zwei verschiedenen Berlins, sie in West-, er in Ostberlin, Wedding und Weißensee.
Wie die Geschichte nun einmal war, kannte um 1950 der heranwachsende Thomas die berühmte kleine Cornelia vom Radio her, denn man entkam ihr nicht, nicht ihrer „Badehose“ und nicht dem Wannsee, auch nicht in der sogenannten Ostzone, denn der RIAS überschallte jede Sektoren- und DDR-Staatsgrenze. Und als 1981 Thomas Langhoff, in der DDR mittlerweile ein Regie-Star, erstmals nach München kam, um an den Kammerspielen „Platonow“ zu inszenieren, war in dieser Stadt er der Unbekannte und Cornelia Froboess, die Sofia, die allseits hochberühmte Schauspielerin. Ihr Berlinertum schweißte sie zusammen; ihr darin verwurzeltes Künstlertum machte die beiden zum überragenden Symbol für die glücksverheißende deutsche Wiedervereinigung.
Vom „Pack die Badehose ein“-Kinderstar zur „Zwei kleine Italiener“-Teilnehmerin am Grand Prix Eurovision über die jugendliche Rock’n’Roll-Ikone neben Peter Kraus bis zur Eliteschauspielerin von Dieter Dorns Kammerspiele-Ensemble: Cornelia Froboess hat durch ihre identitätsstiftende künstlerische Präsenz ein Leben lang entscheidend mitgeschrieben an der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Wenn sie an diesem Samstag ihren 80. Geburtstag feiert, vielleicht mit Kindern und Enkeln und im Angedenken an ihren im vergangenen Jahr verstorbenen Mann Hellmuth Matiasek, kann die Berlinerin, die seit Jahrzehnten in München und Bayern zu Hause ist, auf ein grandioses schauspielerisches Werk zurückblicken. Auf Rollen, die noch immer nachhallen im Gedächtnis des Publikums.
Wer Cornelia Froboess als Lessings Minna von Barnhelm gesehen hat, wird das sächselnde Adelsfräulein nie vergessen. Wer sie als Wedekinds Lulu erleben durfte, hat etwas von schicksalhafter Lüsternheit und natürlicher Verderbtheit erfahren. Wer ihr in „Groß und klein“ und in all den anderen Botho-Strauß-Stücken an den Kammerspielen oder am Residenztheater begegnete, wusste sich in absoluter Zeitgenossenschaft eng mit ihr verbunden.
Noch immer mit dem Glanz der Erinnerung überzogen: ihre Viola in „Was ihr wollt“, ihre hochmoderne Maria Stuart, ihre pragmatische Frau Marthe im „Faust“ oder ihre Mutter Courage. Und, das ist klar, ihre „My fair Lady“-Eliza am Gärtnerplatz. Natürlich hat Cornelia Froboess auch viel und gut gedreht und Fernsehspielen ihren Stempel aufgedrückt. „Aber trotzdem“, gestand sie einmal, „Bühne ist schon etwas anderes als Film und Fernsehen. So ein ganzer Abend auf den Brettern, das ist einfach unschlagbar.“