Bin ich hässlich?

von Redaktion

Ein Buch gegen Makellosigkeit

VON KATJA KRAFT

Wie hart das Wort ist. Und wie schmerzhaft die Vorstellung, es sich selbst zuzuschreiben: „Ich bin hässlich.“ Denn das heißt ja letztlich: „Ich hasse mich.“ Die Hamburger Künstlerin Moshtari Hilal möchte Schluss machen mit der Feindseligkeit gegen sich selbst. Und hat deshalb ein kluges Buch geschrieben. In „Hässlichkeit“ befasst sie sich kritisch mit Selbstbildern und Selbstzweifeln. Immer ausgehend von ihren sehr persönlichen eigenen Erfahrungen.

Gleich zu Beginn erinnert sich die 1993 geborene Frau Hilal an das Mädchen Moshtari, das sie einmal war. Und an dieses eine Passbild. Darauf zu sehen ein Mädel, das fröhlich und offenen Blickes in die Kamera schaut. Unbeschwert. Was ist aus dem unbefangenen Wildfang geworden? Ein verunsicherter Teenager. Weil: „Schiefe Zähne, langes Gesicht, große Nase.“ Eine hässliche Pferdefresse. So sieht sie sich fortan. Und will die Passbilder verbannen. Ihre Mutter bewahrt sie gut versteckt in ihrer Schublade auf. Weil sie Moshtari schön findet, mit schiefen Zähnen, langem Gesicht, großer Nase. Hilal: „Nur eine Mutter konnte ein hässliches Kind lieben.“

Mutig nimmt uns die Autorin mit auf ihre persönliche Entwicklungsreise. Auf der sie lernt, dass die Schönheitsideale, die sie prägten, nicht erreichbar sind. Nicht der Anspruch sein sollten. Aber dies ist kein heuchlerisches Body-Positivity-Buch. „Liebe dich selbst, so wie du bist“, allen gesellschaftlichen Einflüsterungen zum Trotz. Schön wär’s. Sich selbst ganz und gar lieben? Samt Oberlippenbart? „Ich hätte ihn blondieren und damit unsichtbarer machen können, aber dazu hätte ich das ganze Gesicht einfärben müssen. Wie sonst wäre der Übergang vom blonden Flaum zu den schwarzen Härchen in jeder meiner Poren, auf der Stirn und am restlichen Körper zu erklären gewesen?“ Also fing sie an, den Blicken anderer auszuweichen, sich die Hand vor den Mund zu halten, sich bei besonders grellem Licht vom Gesprächspartner abzuwenden. Der menschliche Makel – unerträglich.

Gewandt verbindet Hilal ihre eigenen Erfahrungen mit kollektiven Entwicklungen. Zeichnet nach, wie Kolonialismus, Sklavenhandel, Rassismus weißer Haut das Etikett „edel und rein“ zuschrieben. Wie antisemitische Stereotype – „jüdisch wirkende Nasen“ etwa – zum Stigma wurden. Oder die Syphilis-Nase: „eine gerechte Strafe für Sünden“.

Das Empfinden von Schönheit und Hässlichkeit, so lernen wir, hat nicht allein evolutionsbiologische Gründe (siehe Artikel links). Zuschreibungen wie „schön“ und „hässlich“ werden genutzt, um Menschen auszugrenzen, Macht auszuüben. Dieses Buch ist ein Buch gegen den Hass. „Wenn wir den Gegensatz von Schönem und Hässlichem auflösen, dann löst sich auch der Widerspruch in uns selbst auf. Wir sind hässlich und schön abwechselnd und zugleich.“

Moshtari Hilal:

„Hässlichkeit“. Hanser, München, 222 S.; 23 Euro.

Lesung: Moshtari Halil stellt ihr Buch am 8. November, 20 Uhr, in den Münchner Kammerspielen vor; der Eintritt ist frei.

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