Und wenn man dann mit 15, 16 verzweifelt vor dem Spiegel steht, weil man sich dick und pickelig und überhaupt viel unansehnlicher als all die anderen Mädchen in der Klasse findet, kommt die kluge Frau Mama, nimmt einen in den Arm und sagt: „Du bist schön, so wie du bist.“ Das hilft zwar nur für einen kleinen Moment, aber vermittelt einem schon in gemeinen Backfisch-Jahren eine wichtige Sache: Schönheit liegt im Auge des Betrachters.
Was die Mama in diesem Moment tunlichst nicht sagen sollte, ist, dass das nur die halbe Wahrheit ist. Die ganze lautet: Es gibt Merkmale, die über alle Zeitläufte hinweg als schön gelten.
Doch welche sind das? Zeit für ein Gespräch mit einer Expertin. Caroline Kim, 52, ist Plastische Chirurgin in München. Sie kennt sich aus mit ästhetischen Idealen. Ein gemeinsamer Besuch in Schloss Nymphenburg. Ludwig I. hat in der Schönheitengalerie 38 Frauenporträts versammelt, gemalt zwischen 1827 und 1850. Und siehe da: Schön wirken sie noch immer. „Entscheidend ist eine gewisse Symmetrie, sind gleichmäßige Züge“, sagt Kim. Dann: zarte, porzellanartige Haut. Noble Blässe war schick, zeigte, dass man nicht zur in der Sonne schuftenden Bevölkerung gehörte. In den Fünfzigern des 20. Jahrhunderts wandelte sich das. Mit dem Tourismus-Boom wurde brauner Teint schick. Ein Zeichen, dass man sich die teuren Touren leisten konnte. „Letztlich drückt man mit Schönheit Wohlstand aus.“ So ist laut Kim heller Teint wieder in. Zwei Wochen auf Mallorca in der Sonne zu brutzeln kann sich inzwischen schließlich fast jeder leisten. „Hinzu kommt der gesundheitliche Aspekt. Wir wissen, dass Sonnen Hautkrebs fördert – und langfristig für Falten sorgt.“
Und da sind wir beim wesentlichen Punkt in Sachen Schönheit. Wir brauchen ja nicht zu glauben, dass wir die Natur hinter uns gelassen hätten. Bei der Partnerwahl leitet sie uns unterschwellig doch. „Faltenlose, reine Haut steht für Frische und Gesundheit. Genau das, was eine Frau, die Kinder gebären möchte, sein sollte. Deshalb gilt das Ideal der großen Augen und der kleinen Nase bei Frauen nach wie vor. Die Nase wächst im Alter weiter – Stupsnäschen deuten Jugendlichkeit an.“ Interessanter Effekt: Große Augen lassen die Nase kleiner wirken. Optische Illusionen, die man mit Make-up erzeugen kann. „Damals musste man gute Gene und gute Maler haben, heute können wir durch Kosmetik und gesunden Lebensstil viel bewirken.“
Der Wunsch nach ewiger Jugend, er treibt meist auch die Patientinnen zu Kim. Und wenn eine die Nase gern anders hätte, obwohl die makellos erscheint? Dann sagt die Chirurgin ihr das. Und spürt oft große Erleichterung. „Nach dem Motto: Wenn’s die vermeintliche Expertin sagt, muss es ja stimmen“, erzählt sie lächelnd. Kim plädiert für Gelassenheit. „Das Tolle ist, dass wir auch in Schönheitsfragen viel freier sind. Die Damen in der Galerie wurden alle auf die gleiche keusche Weise dargestellt. Doch eine ragt heraus: Lola Montez. Keine klassische Schönheit. Aber eine Frau mit Charakter. Sie wusste ihre Vorzüge in Szene zu setzen. Jeder Mensch hat schöne Seiten. Man muss sie nur betonen.“