Rausch-Analyse

von Redaktion

Akademiekonzert mit Kent Nagano

VON TOBIAS HELL

Ein gewisser Nostalgiefaktor schwingt schon mit, wenn das Bayerische Staatsorchester anlässlich seines 500. Geburtstags noch einmal alle noch aktiven Ex-Generalmusikdirektoren ans Pult holt. So nun auch bei der Rückkehr von Kent Nagano. An seine Ära erinnerte beim Akademiekonzert unter anderem Komponistin Unsuk Chin, deren „Alice in Wonderland“ der Dirigent 2007 am Nationaltheater aus der Taufe gehoben hatte.

Hierauf folgte als Auftragswerk des Staatsorchesters nun ihr Werk „Operascope“, in dem Chin erneut den Blick über die jüngere Musiktheatergeschichte schweifen lässt. Ohne direkte Zitate, aber doch mit zahlreichen stilistischen Anleihen. Ein zehnminütiger Klangrausch mit nervös aufgekratztem Beginn, der vor allem die Herren am Schlagwerk in Bewegung hielt, ehe die Komposition leise, quasi mit einer offenen Frage verebbte.

Vorausgegangen war dem – dramaturgisch durchaus passend – Anton Weberns spätromantisches Idyll „Im Sommerwind“, das einen zunächst mit zart flirrenden Streichern in Sicherheit wiegte, ehe Nagano die volle Kraft des groß besetzten Orchesters entfesselte. Was ihn nicht davon abhielt, auch im weiteren Verlauf immer wieder kleine kammermusikalische Momente transparent aufzufächern und vor allem die filigranen Soli von Konzertmeister David Schultheiß effektvoll in Szene zu setzen.

Während Nagano beim Repertoire des 20. und 21. Jahrhunderts erwartungsgemäß in seinem Element war, musste man sich in seinen Beethoven erst einhören. In der „Pastorale“ wurden selbst die großen emotionalen Gipfelpunkte eher analytisch angegangen – was im sanft ausgebreiteten zweiten Satz, sowie in der Sturmepisode sehr wohl seine Wirkung entfaltete. Beim „Lustigen Zusammensein der Landleute“ oder im „Hirtengesang“ erschien der Dirigent allerdings oft weniger im Geschehen involviert, sondern eher außenstehender Beobachter. Auch dies jedoch mit der ihm eigenen Konsequenz und inneren Logik in der Annäherung an diese Symphonie.

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