Helligkeit, Biegsamkeit und Ausdruckskraft seines Countertenors beeindrucken auch im großen Saal der Isarphilharmonie, wo Philippe Jaroussky am Dienstag seine vielen Münchner Fans begeisterte. „Forgotten Arias“ (Vergessene Arien) hatten er und seine Begleiter von Le Concert de la Loge im Gepäck.
Das Ensemble, 2015 von Geiger Julien Chauvin gegründet, musiziert auf alten Instrumenten, widmet sich der historischen Aufführungspraxis, aber dehnt sein Repertoire bis ins frühe 20. Jahrhundert aus. Mit Jaroussky allerdings gruben sich die Musiker durch verschollene Barock-Schätze – allesamt aus der Feder des Meister-Librettisten Pietro Metastasio, in Musik gesetzt von Hasse, Valentini, Ferrandini, Jommelli, Traetta oder Johann Christian Bach.
Obwohl Jaroussky, der im eleganten grauen Zweireiher mit Schlips wie ein Bank-Vorstand ausschaute, nicht nur anfangs mit fahler Mittellage und schwacher Tiefe irritierte und auch die Registerwechsel deutlich hörbar waren, erreichte er rasch jene Höhen, in denen seine Stimme ihren ganzen Zauber entfalten kann: Bereits in Hasses „Misero pargoletto“, einer Arie des Timante aus „Demofoonte“, sang er wunderbar auf Linie und traf den innig gefühlvollen Ton. Unverkrampft und leicht gelingen ihm Verzierungen und Koloraturen etwa in Valentinis Arie des Sesto aus „La Clemenza di Tito“ oder Bernasconis Arie des Aminta aus „L’Olimpiade“.
Noch eindrucksvoller als in der von Furien getriebenen Arie des Licida aus Traettas „L’Olimpiade“ interpretierte er „Gelido in ogni vena“ von Ferrandini: Da schufen Sänger und Orchester in vielfacher Wiederholung eine tragisch umwehte, düster ausgeleuchtete Szene, in der sich auch die Instrumentalisten eindrucksvoll am Leidensgestus beteiligten. Nach kontrastierenden Arien des Arbace aus Bachs und Jommellis „Artaserse“ sagte Jaroussky mit Orpheus Adieu. Jubel. GABRIELE LUSTER