„Kabarett, Parodie, Unfug“ – schon der Untertitel verrät, wie viel drin war und ist in Helmut Schleichs Sendung mit dem naheliegenden Titel „Schleichfernsehen“. Seit zwölf Jahren ist der 56-Jährige damit zu sehen, doch jetzt ist Schluss mit lustig. Die 85. Ausgabe am 30. November wird die letzte sein. Das erfuhr unsere Zeitung aus Kreisen der Produktion. Schleich beende das Format auf eigenen Wunsch, hieß es.
Seit 2011 war der Kabarettist einmal monatlich im Programm, zunächst freitags, seit 2013 am Donnerstagabend. Der Gastgeber lieferte für die Fans im Studio und zu Hause Soli zur aktuellen Politik, zeigte aber auch viel Lust an der Verkleidung. Neben seiner Paradefigur Franz Josef Strauß bevölkerten die unterschiedlichsten Charaktere die Folgen, nicht nur Männer von Donald Trump über den Papst bis zum Kini, sondern auch Frauen wie Angela Merkel oder Ursula von der Leyen. Vor Promis aus dem eigenen Haus schreckte Schleich ebenfalls nicht zurück, erfand den Journalisten Traugott Sieglieb – in Anspielung auf den langjährigen BR-Fernsehchefredakteur Sigmund Gottlieb.
Der Münchner, der einst mit dem Trio Kabarett Fernrohr an der Seite von Christian Springer und Andreas Rüttenauer einem größeren Publikum bekannt wurde und seit 1998 solo unterwegs ist, zeigte sich in „Schleichfernsehen“ als Teamplayer. Die am Dienstag verstorbene Christiane Blumhoff (siehe Seite 25) fungierte mehrere Jahre als Sidekick, zuletzt waren Andrea Limmer als Wissenschaftsjournalistin, Influencerin Klara Fall sowie „Finanzkabarettist“ Chin Meyer mit von der Partie, Sebastian Daller lieferte Gstanzl.
Nicht alle seine Kreationen waren allerdings unumstritten. So gab es Kritik an Maxwell Strauß, einem fiktiven unehelichen Sohn von Franz Josef Strauß, der Diktator eines erfundenen afrikanischen Landes ist. Mit der Figur, für die er sich schwarz schminken ließ, sah sich Schleich dem Vorwurf des Rassismus ausgesetzt. Er habe mit Maxwell Strauß aber gerade „den Export neokolonialer Strukturen aus dem globalen Norden nach Afrika persiflieren“ wollen, verteidigte er sich im Gespräch mit unserer Zeitung: „Über Maxwell lacht doch keiner, weil er schwarz ist, sondern weil er unsere Strukturen spiegelt.“
In „Schleichfernsehen“ kam diese Nummer dann nach einem Machtwort von Intendantin Katja Wildermuth nicht mehr vor, Schleich äußerte sein Bedauern darüber, dass „der Diskriminierungsvorwurf stärker gewichtet wurde als die Freiheit der Kunst“. Die Redaktion habe sich jedoch hinter ihn gestellt.
Das ist zwei Jahre her, und es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich der Sender und sein populärer Protagonist darüber dauerhaft verkracht hätten. Schon eher die Quotenentwicklung könnte die Senderspitze um Intendantin Wildermuth und Kulturdirektor Björn Wilhelm ein wenig beunruhigt haben. Vor vier Jahren war „Schleichfernsehen“ mit durchschnittlich rund einer halben Million Zuschauern und 12,3 Prozent Marktanteil noch die meistgesehene Kabarettsendung im BR Fernsehen, im vergangenen Jahr war das Format mit knapp 400 000 Zuschauern und durchschnittlich 9,8 Prozent Marktanteil dagegen Schlusslicht in diesem Programmbereich, hinter „Grünwald Freitagscomedy“ und dem „Schlachthof“.
Der Münchner Sender äußerte auf Anfrage unserer Zeitung Verständnis für die Entscheidung des Kabarettisten, Schluss zu machen. „Wir respektieren den Wunsch von Helmut Schleich, sich aktuell auf die Bühne zu konzentrieren“, so Unterhaltungschefin Iris Mayerhofer. „Kabarett, zumal politisches, gesellschaftlich relevantes Kabarett, ist harte Arbeit, die leicht aussehen muss.“ Dem Künstler sei dies stets auf unnachahmliche Weise gelungen, sogar in Zeiten von Corona habe er eigene Möglichkeiten gefunden, seine Sendung zu produzieren. Der BR danke ihm „für viele erfolgreiche gemeinsame Jahre ,Schleichfernsehen‘“ und wünsche ihm viel Erfolg für alle seine Projekte: „Die Tür im BR steht für ihn immer offen.“