Viel Wehmut, wenig Wahnwitz

von Redaktion

Georg Ringsgwandl wird zu seinem 75. Geburtstag im Residenztheater gefeiert

VON JOHANNES LÖHR

Fast hätte Georg Ringsgwandl es geschafft, sich im Kreise seiner Band ohne größere Zwischenfälle auf die Bühne des Residenztheaters zu mogeln. Er sitzt schon an der Zither, da ereilt es ihn doch: „Ois Guade zum Geburtstag!“, ruft gut gelaunt ein Zuschauer, und Jubel brandet auf. Schließlich haben sich alle hier eingefunden, um den 75. des großen Liedermachers zu feiern. Diesen ersten Gratulationsversuch ignoriert er erst mal mit leisem Schmunzeln.

Der Jubilar mit Jeansjacke und Filzhut spielt das andächtig nostalgische Stück „Lauter alte Sachen“ („A few old Memories“), und damit ist der Ton für diesen Abend gesetzt. Denn ganz spurlos scheint diese Zumutung von einem Wiegenfest nicht an ihm vorbeizugehen. Er wirkt mehr als einmal angefasst – und: Er erzählt erstaunlich wenig Schmarrn.

Wie man weiß, kann keiner so brillant Schmarrn erzählen wie der gebürtige Reichenhaller: über isolierte Landbewohner im Niedrigenergiehaus, über Highperformer, die ihre verwurmten Hunde beim Tierhomöopathen ganzheitlich behandeln lassen. Keiner schaut so lustvoll unbarmherzig auf den Alltagsirrsinn seines sozialen Umfelds wie der gelernte Kardiologe, der es sich zwischen allen Stühlen gemütlich gemacht hat. Heute aber zeigt er sich vergleichsweise wortkarg.

Freilich kommt auch an diesem besonderen Abend der geniale Wahnwitz nicht zu kurz – zumindest in Liedform: In der „Thaller Hymne“ beschreibt Ringsgwandl, wie er seinen Schlagzeuger einst fast an eine übergriffige oberfränkische Getränkefachverkäuferin verlor. Den Standesdünkelspaß „Trinkersport“ dekonstruiert er am Konzertflügel. „Hühnerarsch sei wachsam“ gerät dank gesanglicher Inbrunst zum Gospel („Praise the Lord, Chicken Ass!“). Daniel Stelter an der Gitarre leitet das Lied mit einem atemberaubenden Solo ein.

Die ganze elfköpfige Band ist fantastisch. Gitarrist Nick Woodland lässt seine perlenden Blues-Licks vom Stapel, Tommy Baldu bürstet die Trommel mit dem Understatement des echten Könners. Conny Kreitmeier und Susi Raith, die für den Harmoniegesang sorgen, können sich das Grinsen nicht verkneifen. Die Bläsersätze von Angela Avetisyan (Trompete) und Janine Schrader (Saxofon) quittiert Ringsgwandl selbst mit einem anerkennenden „Wow!“. Man merkt: Der Abend heißt zwar „Arge Disco“, aber statt einer Arbeitsgemeinschaft stehen hier Freunde auf der Bühne.

Und auch Stofferl Well schaut vorbei, mit Bachtrompete und Baritontuba. Zusammen spielen sie unter anderem „Winter“ mit der Kindheitserinnerung an den schiachen Kramperl und Eishockey auf dem Weiher neben dem Haus an der Reichenhaller Staufenbrücke. Nur eine von vielen Rückschauen: „Wia de Johr vorbeigehn“ gerät genauso wehmütig. Am Ende bedankt sich Ringsgwandl doch noch bei seinen Gratulanten. „Es war nett, dass ihr mir Gesellschaft geleistet habt’s! 75 is a schwieriges Datum…“

Dann setzt er sich wieder an die Zither und will die Leute mit der traurigen Außenseiter-Ballade „Er scheißt se an Dreck“ nach Hause schicken. Doch so schnell lassen sie ihn nicht ziehen – der ganze Saal singt ihm „Zum Geburtstag viel Glück!“ Und dann klappt das mit dem nix scheißen natürlich endgültig nicht mehr.

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