Die documenta – ein „Scherbenhaufen“

von Redaktion

Nach dem Rücktritt der Findungskommission bemüht sich die Weltkunstschau um den Neustart

VON SANDRA TRAUNER

Die documenta kommt nicht zur Ruhe. Schon Jahre vor der nächsten Ausgabe der weltweit beachteten Kunstschau beginnt der Streit. Dass es diesmal früher zum Knall kam und noch ruppiger zugeht, liegt nicht nur an Kassel. „Das grundsätzliche Problem ist, dass uns die Debattenkultur völlig aus den Händen geglitten ist“, sagte Nicole Deitelhoff. Die Wissenschaftlerin stand an der Spitze des Gremiums, das nach der documenta fifteen den Antisemitismus-Eklat aufarbeiten sollte. Nach den Hamas-Angriffen auf Israel am 7. Oktober habe sich die Diskurslage noch mal zugespitzt. „Inzwischen kann man überhaupt nicht mehr miteinander reden. Jedes Wort wird auf die Goldwaage gelegt und führt in atemberaubender Geschwindigkeit dazu, dass man in eine Ecke gestellt wird.“ Die Ecken: Das sind auf der einen Seite Stimmen, die zum Glück sensibel sind für antisemitische Töne. Auf der anderen Seite stehen pro-palästinensische Stimmen, die Deitelhoff zufolge im Kulturbetrieb überrepräsentiert sind.

Das hat auch die Findungskommission zu spüren bekommen, die damit beauftragt war, eine neue künstlerische Leitung für die documenta 2027 zu suchen. Erst schied eine Beteiligte aus, dann ein zweiter, am Donnerstag gaben auch die restlichen vier auf. Als Grund nannten sie „die polarisierten Debatten“. Inzwischen wackelt sogar das Datum der nächsten documenta, die traditionell alle fünf Jahre stattfindet. „Die Frage nach dem Zeitpunkt steht in der aktuellen Situation nicht an erster Stelle“, sagte Geschäftsführer Andreas Hoffmann. „Es geht darum, die documenta in eine gute Zukunft zu führen.“

Politiker sprachen am Freitag von einem „Scherbenhaufen“, Deitelhoff findet die Lage der documenta „verheerend“. Es dürfte schon schwer werden, neue Kandidaten für die Findungskommission zu finden. Umso schwerer wird es wohl, Kuratoren zu finden, die sich zutrauen, ein solches Mammutprojekt zu stemmen.

„Wir brauchen jetzt einen glaubwürdigen Neustart“, forderte Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne). Der Bund sei bereit, an der Neuaufstellung der Weltkunstausstellung mitzuarbeiten. Roth sagte, sie begrüße es sehr, „dass sich die documenta GmbH zunächst mit der eigenen, grundsätzlichen Neubestimmung und Strukturreform befasst, bevor die Planung für die Ausgabe 2027 beginnt“.

Die Gesellschafter der documenta – das Land Hessen und die Stadt Kassel – wollen nach eigenen Worten das verloren gegangene Vertrauen wieder aufbauen. Erster Schritt sei, das „Betriebssystem“ der Institution neu zu starten, erklärte Geschäftsführer Hoffmann. Derzeit werde die Organisationsstruktur unter die Lupe genommen. Mithilfe externer Experten schaue man sich dann auch Verantwortlichkeiten und Prozesse an. Erst, wenn dieser Prozess der Neuaufstellung abgeschlossen sei, könne man den nächsten Schritt angehen und den Findungsprozess für die künstlerische Leitung neu beginnen. » KOMMENTAR

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