Die Zerrissene

von Redaktion

„Wozzeck“ wieder an der Staatsoper

VON GABRIELE LUSTER

Es ist hocherfreulich, wie frisch sich Andreas Kriegen-burgs „Wozzeck“-Inszenierung über 15 Jahre hinweg gehalten hat. Und es ist noch erfreulicher, dass Alban Bergs Oper am Sonntagabend auch das Nationaltheater bis in die Ränge hinauf füllte. Neben dem Mann am Pult, Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski, war ein hochkarätiges Ensemble aufgeboten.

Marlis Petersen, in München als Lulu, Salome, Marschallin oder Korngolds Marie/Maria aus der „Toten Stadt“ gern gesehen und gehört, debütierte in der Rolle der Marie. Oft lyrisch und doch bis ins fast Gesprochene hinein ausdrucksstark und mit tadelloser Höhe, gestaltete sie die lebens- und liebeshungrige, attraktive Frau. Weniger „Weibsbild“ als Zerrissene zwischen ihrem Buben (zu dem der Regisseur ihr keinen Körperkontakt gestattet), dem in sich gefangenen Wozzeck und den Verlockungen des Tambourmajors.

Peter Mattei punktete mit expressivem Bariton und ex-quisiter Textverständlichkeit und irrte als Wozzeck durch die ihn ängstigende und peinigende Welt, aus der er nur einen Ausweg kennt: den Tod. Wolfgang Ablinger-Sperrhacke und Jens Larsen erfüllten ihre von der Regie ins Schaurig-Groteske getriebenen Figuren des Hauptmanns und des Doktors auch stimmlich hervorragend. Tansel Akzeybek stand ihnen als Andres mit charakteristisch hellem Tenor nicht nach, und John Daszak stattete den Tambourmajor mit markantem Klang, Eitelkeit und Brutalität aus.

Brutal tönte es zuweilen auch aus dem Graben, denn immer wieder lässt Berg das Orchester die Qual seiner Gezeichneten herausschreien. Unter Jurowskis souveräner Leitung reagierte das Staatsorchester hellwach. Dabei offenbarte sich in den wunderbaren kammermusi-kalischen Momenten wie in den Ballungen die ungeheure instrumentale Farbigkeit und charakterisierende Feinzeichnung dieser formal so minutiös durchgestalteten Partitur. Ein „Wozzeck“, der Zuhörerinnen und Zuhörer ins Mark traf und entsprechend gefeiert wurde.

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