Schon vor gut 20 Jahren beeindruckte Hilary Hahn mit einer elektrisierenden Einspielung von Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert. Nun, in der Isarphilharmonie, beim Auftritt mit der Filarmónica Joven de Colombia unter ihrem energiegeladenen Chefdirigenten Andrés Orozco-Estrada, hat ihre Interpretation noch an Souveränität, Ausdruckstiefe und Lockerheit gewonnen.
Unter ihren Händen wirkt das beinahe zu Tode genudelte Werk so, als hätte man es mit frischem Quellwasser abgespült: Die Virtuosin befreit es von großspurigen Gebärden und süßlicher Sentimentalität; sie stellt sich ganz in den Dienst der Musik und findet zu inniger Zwiesprache mit dem Orchester. Ihre Phrasierung ist von makelloser Eleganz, ihre Intonation stets von einer unfassbaren Klarheit – selbst dann, wenn sie mit tänzerischer Verve agiert, in atemberaubendem Tempo über die Saiten rast oder den Gesang ihres Instruments in himmlische Höhen aufsteigen lässt. Auf die Jubelstürme antwortet die Star-Geigerin mit zwei Bach-Zugaben, die sie mit einer schier überirdischen Reinheit, Reife und Ruhe präsentiert – wie von einem anderen Stern. Kurz: eine Sternstunde.
Dass Hilary Hahn die hohen Erwartungen übertreffen würde, war indes schon fast zu erwarten. Doch wer hätte gedacht, dass das einst als soziales Projekt gegründete kolumbianische Jugendorchester nach der Pause ausgerechnet mit Strawinskys heikler „Petruschka“ ein unvergessliches Erlebnis bieten würde? Zugegeben, die blutjungen Musikerinnen und Musiker meistern das Stück nicht ganz so präzise wie die Münchner Philharmoniker unter Tugan Sokhiev vor gut vier Wochen am selben Ort. Aber sie spielen mit ansteckender Leidenschaft, haben keine Probleme mit vertrackten Rhythmen und langweilen keine einzige Sekunde. Das liegt nicht zuletzt an einer originellen, minutiös einstudierten Bewegungs-Choreografie von Martin Buczko: Er findet packende Bilder für Unterdrückung und Auflehnung – und gibt den Orchestermitgliedern die wohl einmalige Chance, ihre verblüffende pantomimische Begabung zu beweisen.
In der Zugabe rocken sie schließlich den Saal mit einer Variation von Wolfgang Ordoñez’ fetziger Joropo-Bearbeitung „Travesía“, die bereits den Abend eröffnet hatte, diesmal jedoch garniert mit improvisierten Soli von Maracas und diversen Blechbläsern (inklusive Tuba!): eine hin- und mitreißende kolumbianische Charme-Offensive, die für südamerikanische Karnevalsstimmung sorgt.