Ein untergetauchter Massenmörder, ein unermüdlicher Streiter für Gerechtigkeit und eine spektakuläre Entführung – die Ergreifung des nach dem Zweiten Weltkrieg nach Argentinien geflohenen Nazis Adolf Eichmann durch den israelischen Geheimdienst bietet nüchtern betrachtet alle Bestandteile eines klassischen Spionagefilms. Vom ersten, zufälligen Hinweis auf Eichmanns Aufenthaltsort über die monatelange Beobachtung durch ein großes Mossad-Team bis hin zur heimlichen Überführung des ehemaligen SS-Obersturmbannführers von Buenos Aires nach Israel, wo er nach einem weltweit viel beachteten Prozess zum Tode verurteilt wurde.
Die bereits in sieben US-Städten gezeigte Schau mit dem zugegeben ziemlich Hollywood-geeignet reißerischen Titel „How to catch a Nazi“ macht jetzt Station in Deutschland, im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst (SMÄK) in München. Ein seltsamer Ort für eine Ausstellung über einen NS-Verbrecher? Nur auf den ersten Blick. Denn Museumsdirektor Arnulf Schlüter stellt eine Verbindung her: „Wir sehen diese Ausstellung als Teil der Auseinandersetzung mit dem Standort unseres Museums.“
Die Geschichte des Areals rund um Königsplatz und „Braunes Haus“ ist den Münchnern eventuell vertraut. „Aber weitgehend unbekannt ist, dass auf diesem Grundstück ein Kanzleigebäude der NSDAP errichtet werden sollte.“ Die bestehende Wohnbebauung wurde bis 1938 abgerissen und die vielfach jüdischen Anwohner wurden enteignet. „Das ist für uns ein Beweggrund, dies zu dokumentieren. Das tun wir bereits und wollen es mit dieser Ausstellung fortsetzen“, so Schlüter. „Darüber hinaus halten wir es für eine wichtige Aufgabe, die Erinnerung an diese Zeit wach zu halten.“ Die meisten Zeitzeugen leben inzwischen nicht mehr, und es müssen neue Formen der Geschichtsvermittlung gefunden werden. Wenn man heute 16-Jährige fragt, was ihnen der Name Adolf Eichmann sagt, sei „das Ergebnis oft nicht zufriedenstellend“, ergänzt Christoph Rückel, Aufsichtsratsvorsitzender der Adolf Rosenberger gGmbH, die das Projekt in den USA mit weiteren Sponsoren überhaupt erst ins Rollen gebracht hat.
An junge Menschen richtet sich die mit vielen Schauwerten, Filmen, Fotos, Grafiken und Objekten üppig ausgestattete „How to catch a Nazi“-Ausstellung in besonderem Maße. Vielfach fühlt man sich wie im Thriller, wenn man die grobkörnigen Schwarz-Weiß-Fotos in Postergröße betrachtet und nach einer schlagwortartigen Zusammenfassung des Holocausts in den Krimi um die Ergreifung von dessen Organisator Nummer eins eintaucht. Kurator und Ex-Mossad-Agent Avner Avraham versteht es, mit einer geschickten Dramaturgie trotz des bekannten Endes der „Operation Finale“ tatsächlich Spannung zu erzeugen.
Übermannsgroße Stelen und Wände vermitteln einen Einblick in die erste Ermittlungs- und Recherchearbeit von Nazijägern wie Fritz Bauer. Dem werden schon im Jahr 1956 Informationen des nach Argentinien emigrierten Juden Lothar Hermann zugespielt, der das KZ Dachau überlebt hatte: Er sei sich sicher, dass der deutschstämmige Freund seiner halbwüchsigen Tochter der Sohn Adolf Eichmanns sei. Der Brief setzt eine kleinteilige Ereigniskette in Gang, die jetzt bis hin zu den einzelnen Flugtickets in den Kellerräumen des Ägyptischen Museums sehr einprägsam aufbereitet nachzuerleben ist.
Bis 30. April
Di. 10-20 Uhr, Mi.-So. 10-18 Uhr; www.smaek.de.