Verdi-Leuchten

von Redaktion

Konzertante Aufführung von „Ernani“ im Prinzregententheater

VON MARKUS THIEL

Gut möglich, dass dem Stück nur zwei Auswege bleiben: die Übersteigerung ins Satirische bis zur Splatterkomik, wie es Regisseurin Lotte de Beer vergangenen Sommer in Bregenz glückte. Oder die konzertante Version – Verdis krauser „Ernani“, bei dem an jeder Partiturecke ein Schlager lauert, trägt einen Abend auch ohne Inhaltskenntnis. Die Gefahr ist nur: der Musik zu erliegen, sie aufzudonnern zum Zweieinhalbstunden-Kracher.

Ivan Repušić ist da viel zu sehr Stilist. Auf seinem (auch auf CD dokumentierten) Streifzug durch Verdis Früh-Stücke ist der Chef des Münchner Rundfunkorchesters bei „Ernani“ angekommen. Die Farben dürfen leuchten, die Rhythmik lädt zum Mitswingen auf den Klappsesseln des Prinzregententheaters ein. Und doch sind alle Klangmuskelspiele klug austariert. Repušić koordiniert behutsam, überfährt das Publikum nicht, sondern führt mit seinem Orchester vor: Da gibt es instrumentale Finessen, Mixturen und Lasuren, die im Effekthaschen unter die Räder kommen könnten. Auch der famose BR-Chor macht aus seiner Hauptpartie keine brachiale Sache, die oratorische Erziehung hört man stets durch.

Eine Frau, Elvira, begehrt von gleich drei Männern, vom gefallenen Adeligen Ernani, vom alten Blaublut Silva und von König Carlo, später Karl der Große – das verlangt nach Handlungsentwirrung, vor allem nach einer exzellenten Solo-Riege. Die wird hier dominiert von Bariton George Petean. Der ist als Carlo kein Dauer-Bösewicht, sondern lässt immer Empfindsamkeit durchschimmern – im biegsamen Gesang mit auffallend hellen Farbanteilen, in der feinen Textarbeit. Und wenn mal vokal zugepackt werden muss, ist Petean gern dabei.

Sopranistin Selene Zanetti, an der Bayerischen Staatsoper sozialisiert, ist mittlerweile Richtung Dramatik unterwegs. So ganz hat sie die Elvira in ihrer Stimme noch nicht verankert. Das Timbre ist hochattraktiv, die Gestaltung geschmackvoll. Was noch fehlt, ist eine gewisse Tiefenresonanz, auch eine stärkere Fokussierung des Klangs.

Charles Castronovo singt den Titelhelden mit mattiertem Tenor. Lyrik, Kraftausbrüche, alles abgesichert, zwei, drei Farbtöne mehr wären durchaus drin. Ildebrando D’Arcangelo lässt als Silva seinen weich gefassten Bass strömen – auch er kein Verdi-Macho. Insofern haben sich an dem umjubelten Abend die Richtigen gefunden.

Aufzeichnung

unter rundfunkorchester.de/audio-video

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