Die Zeiten, da eine rein weiblich besetzte Band im Jazz eine staunenswerte Kuriosität war, sind längst vorbei. So viel geballte Frauen-Power wie an diesem Abend in der Münchner Unterfahrt ist allerdings auch nicht alltäglich. Altsaxofonistin Angelika Niescier, 2017 für ihren herausragenden Beitrag zum deutschen Jazz mit der höchsten Auszeichnung, dem Albert-Mangelsdorff-Preis, geehrt, hat sich dafür mit ihren amerikanischen Kolleginnen Tomeka Reid (Cello) und Savannah Harris (Schlagzeug) zusammengetan. „Hic svnt dracones“ heißt das erste Stück, zu Deutsch „Hier sind Drachen“, eine von mittelalterlichen Kartografen für die Terra incognita – unbekanntes Gebiet – gern verwendete Bezeichnung. Treffender könnte ein Titel kaum sein, denn darum geht es diesem Trio: mit Leidenschaft und Abenteuerlust aufzubrechen in Improvisationsterrain jenseits der breitgetretenen Pfade.
Dementsprechend bricht sich hier, in den von Niesciers Kompositionen vorgezeichneten Bahnen, eine expressive Fantasie Bahn, ist eine unbedingte Dringlichkeit zu spüren. Harris’ Schlagzeugspiel ist äußerst agil, vielgestaltig vorwärtstreibend. Reid übernimmt pizzicato gelegentlich die Bassfunktion, häufiger aber entwirft sie mit dem Bogen wild schraffierte Klangflächen oder skizziert ostinate Grooves. Und Niesciers Saxofonlinien oszillieren in unberechenbar eigenwilliger Phrasierung – „Oscillating Madness“ ist ein weiterer sprechender Stücktitel.
So verschmelzen drei Individualistinnen zu einer in ihrer Verbindung von Intensität und Ideenreichtum überzeugenden Einheit, am schönsten im mehrteiligen, Pina Bausch gewidmeten „A Dance, to never end“.