Der Anti-Held

von Redaktion

NACHRUF Der grandios unterschätzte Schauspieler Ryan O’Neal ist mit 82 Jahren verstorben

VON ZORAN GOJIC

Gutaussehend, athletisch, mit natürlicher Präsenz und einer Ausstrahlung, die gleichzeitig jungenhaft und abgründig ist – Ryan O’Neal war der geborene Filmstar. Dass man dem Mann, der in den 1970er-Jahren der erfolgreichste und bestbezahlte Schauspieler Hollywoods war, fast vergessen hat und erst 2021 einen Stern auf dem Walk of Fame zugesteht, ist im Grunde kaum zu erklären. Zu seiner Zeit ist O’Neal, was Ryan Gosling heute ist. Dass „Drive“, einer von Goslings größten Hits, das Remake eines Klassikers mit O’Neal ist, ergibt Sinn. Die Aura der Coolness und gleichzeitig die Ausstrahlung von totaler Verlorenheit, das hat sich Gosling erkennbar bei O’Neal abgeschaut.

Der war für das Filmgeschäft geboren: die Mutter Schauspielerin, der Vater Drehbuchautor. O’Neal ist ein furchtbar schlechter Schüler, das Einzige, was ihn interessiert, ist Boxen, darin ist er exzellent. Als absehbar wird, dass es nichts werden wird mit einer bürgerlichen Laufbahn, schleusen ihn die Eltern ins Showgeschäft. Weil sie damals in München leben, bekommt O’Neal seine ersten Jobs am Geiselgasteig als Lichtdouble, Statist und Stuntman. Nach der Rückkehr in die USA ergattert er als Teenager erste Schauspieljobs im Fernsehen. Mit der Seifenoper „Peyton Place“ wird er zum TV-Star, mit gerade mal Mitte 20. 1970 erobert er dann mit dem Sensationserfolg „Love Story“ das Kino.

Er gilt als Inbegriff des neuen, modernen Mannes und wird für einen Oscar nominiert. Aber die Kritik mag den Mann nie so recht ernst nehmen, egal wie viele gute Vorstellungen er abliefert. Dass er ein exzellenter Schauspieler ist, erkennt man leicht an Klassikern wie „Is was Doc?“ (1972) und vor allem „Paper Moon“ (1973). Dennoch ist das Genöle groß, als Regie-Gigant Stanley Kubrick für sein Historienopus „Barry Lyndon“ 1975 O’Neal besetzt – der sehr gut agiert, aber das hilft ihm bei seinen Kritikern nicht. Dass er ein bisschen schwierig sein kann, macht es nicht besser. O’Neal hat ein aufbrausendes Temperament und kommt mit dem Druck in Hollywood immer schlechter zurecht. 1976 soll er Rocky spielen, als boxender Rechtsausleger mit 18 Siegen in 22 Amateurkämpfen (davon 13 K. o.) wäre er die perfekte Besetzung, muss sich aber Sylvester Stallone geschlagen geben.

1978 lässt sich O’Neal für die damalige Rekordgage von fünf Millionen US-Dollar (das wären heute knapp 24 Millionen) zur Fortsetzung von „Love Story“ bequatschen, was den langsamen Abstieg einleitet. Die Angebote werden weniger, das Kino ändert sich mit dem Auftauchen von Blockbustern wie „Star Wars“ – O’Neal landet zurück im Fernsehen und in der Klatschpresse. Mit seinen zwei Ex-Frauen und vier Kindern hat er immer wieder Streit, mitunter muss die Polizei schlichten, weil O’Neal mit Schusswaffen herumfuchtelt. „Wahrscheinlich bin ich kein guter Vater“, kommentiert er das später fatalistisch.

Es dauert nicht lange, und er ist in der öffentlichen Wahrnehmung nur noch der Freund von Farrah Fawcett. Diverse schwere Erkrankungen und die Trennung von Fawcett veranlassen O’Neal dazu, das Rampenlicht zu meiden. Einer der größten Filmstars unserer Zeit wird nahezu unsichtbar und taucht nur noch, gezeichnet von seiner Krebsbehandlung, auf unscharfen Paparazzi-Fotos auf. Erst spät hat er ein kleines Comeback mit prägnanten Gastrollen und findet zu seiner Lebensfrau Fawcett zurück, als die selbst todkrank ist. Auf dem Sterbebett macht er ihr einen Heiratsantrag. Nun ist Ryan O’Neal, den viele für einen oberflächlichen Sonnyboy hielten und der in Wahrheit ein grandios unterschätzter Anti-Held des Kinos war, mit 82 gestorben. Am glücklichsten sei er während der Zeit bei „Peyton Place“ gewesen, hat er mal gesagt. Er musste einfach nur am Set auftauchen und sich um nichts sonst kümmern.

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