Hin und wieder stellt sich schon die Frage, wie ernst man die Unkenrufer nehmen soll, die immer wieder gern das baldige Aussterben des Klassikpublikums prophezeien. Denn von mangelnder Begeisterung konnte beim zweiten Jugendkonzert der laufenden Philharmoniker-Saison keineswegs die Rede sein. Trotz eines Programms, das sich selbst für routinierte Fans eher in den Randbereichen des Repertoires bewegte. Umso erstaunlicher war es, dass die Konzentration in der Isarphilharmonie bei den Stücken des 20. Jahrhunderts sogar deutlich höher schien als bei Haydns Sinfonie Nr. 44, die mit Ausnahme des emotional aufgeladenen Adagios eher beiläufig vorbeirauschte.
Zugegeben, die modernen Kompositionen waren durchaus klug gewählt. Denn mit den nur durch einen Türspalt zu erahnenden Bläsern hinter der Bühne und dem aus dem Rang gespielten Trompetensolo von Alexandre Baty galt es bei Charles Ives’ „The unanswered Question“ auch einige spannende räumliche Effekte zu beobachten – treffsicher koordiniert von Barbara Hannigan am Pult, regelmäßiger Gast beim städtischen Orchester.
Zwischendurch brach sie noch im Interview eine Lanze für die amerikanische Komponistin Ruth Crawford Seeger. Deren Andante für Streichorchester wusste mit sanft wogenden Instrumentenwellen die schon zuvor bei Ives unterschwellig brodelnde Energie aufzunehmen und sorgte im Saal erneut für konzentrierte Stille. Als Favoritin des jungen Publikums entpuppte sich aber dennoch Sopranistin Aphrodite Patoulidou. Sie sorgte bei einem im Duett mit Hannigan dargebotenen isländischen Volkslied nicht nur selbst für die subtile Begleitung auf der Nyckelharpa, sondern bewies danach auch in Claudie Viviers „Lonely Child“ Flexibilität. Wobei die vom Komponisten zeitweise verwendete Nonsens-Sprache – samt einigen dazugehörenden stimmakrobatischen Einlagen – das ernste Thema des Werkes wohltuend auflockerte und für erneuten Jubel sorgte.
TOBIAS HELL