Gesunde Balance

von Redaktion

Bach-Chor mit dem Weihnachtsoratorium

Was waren das noch für Zeiten, als man zwischen Weihnachten und Dreikönig gleich sechs Gottesdienste besuchen musste, um Bachs Vertonung der Weihnachtsgeschichte zu erleben. Inzwischen sind die sechs Kantaten längst aus dem liturgischen Kontext gelöst und in den Konzertsaal übersiedelt, wo sie als „Weihnachtsoratorium“ für viele unverzichtbar zur Adventszeit gehören. Natürlich auch für den Münchener Bach-Chor und das Bach-Orchester, deren neue künstlerische Leiterin Johanna Soller in der Isarphilharmonie eine gesunde Balance aus Tradition und Innovation anzustreben schien.

Da wurden etwa die ersten drei Kantaten mit weihevoll breiten Tempi zelebriert, wie sie in den frühen Jahren der beiden Ensembles gepflegt wurden. Gleichzeitig verfolgte die Dirigentin jedoch einen „modernen“, historisch informierten Zugriff auf Bachs Partitur. Was für ein transparent aufgefächertes Klangbild und vor allem in den Kantaten vier bis sechs für deutlich mehr Zug sorgte. Soller wusste dabei den Chor überaus kontrastreich einzusetzen. Vom lautstarken Jauchzen und Frohlocken bis zum zarten Hauchen beim Blick in die Krippe. Gleichzeitig erwies sie sich aber auch als sensible Begleiterin für die vier Solostimmen. So etwa für Einspringerin Laila Salome Fischer, die die Alt-Partie übernommen hatte und sich nach leichter Anfangsnervosität immer mehr freisingen konnte.

Ähnlich dunkel grundiert zeigte sich der warm timbrierte Sopran von Flore van Meerssche, deren Stimme sich in den Duetten ideal mit dem voluminösen, aber schlank geführten Bassbariton von Johannes Kammler mischte. Eine Klasse für sich war trotz dieser starken Konkurrenz Benedikt Kristjánsson, der einen farbenreichen Tenor ins Feld führte und mit makelloser Diktion nicht nur in den erzählenden Passagen des Evangelisten fesselte, sondern ebenfalls in seinen virtuos gestalteten Arien immer wieder echte Glanzpunkte setzte. TOBIAS HELL

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