Leicht hat es einem Beethoven mit seiner „Missa Solemnis“ nicht gemacht – weder den Ausführenden noch den Zuhörenden. Und leider blieben nun auch in der Isarphilharmonie wieder einmal mehr Fragen als Antworten im Raum stehen.
Am Pult der Münchner Philharmoniker war da Philippe Herreweghe zu erleben, der mit viel Energie ins „Kyrie“ startete und schon hier ungebremst die volle Wucht des Chores entfesselte. Doch als er nach dem „Gloria“ plötzlich samt Partitur unterm Arm für mehrere Minuten aus dem Saal verschwand, ließen sich im Publikum einige ratlose Gesichter beobachten – ebenso wie vor dem „Sanctus“, als der belgische Maestro noch einen kurzen Plausch mit dem Konzertmeister führte. All das trug dazu bei, dass sich dieser Abend oft eher nach einer öffentlichen Generalprobe anfühlte. Was vielleicht auch eine Erklärung dafür sein mochte, warum man den stimmgewaltigen Philharmonischen Chor hier mit Gästen vom Collegium Vocale Gent durchmischt hatte: Das von Herreweghe gegründete Ensemble ist schließlich bestens auf seine Art des Musizierens eingeschworen und kennt seine Eigenheiten.
Der Dirigent bot einen sehr intuitiven Zugriff auf die Partitur, der in den besten Momenten ein erfrischendes Gefühl der Spontaneität vermittelte. Selbst die von Beethoven als „mit Andacht“ überschriebenen Sätze wurden dankenswerterweise ohne übermäßigen Weihrauch, sondern mit überraschend forschen Tempi angegangen. Das schien sogar das routinierte Orchester hin und wieder kalt zu erwischen.
Selbstbewusst in der Spur blieb dagegen das Solistenquartett, aus dem neben Hanna-Elisabeth Müller und Ilker Arcayürek vor allem Anna Lucia Richter und Tareq Nazmi herausragten. So zählte gerade das von Nazmi mit sonorem Bass eröffnete „Agnus Dei“ zu den stärksten Momenten des Abends. Doch selbst, wenn sich die Sache auf der Zielgerade immer mehr rundete, blieb der Eindruck, dass hier längst nicht das volle Potenzial ausgeschöpft wurde, das man laut Papierform hätte erwar-ten können.