Vorsicht, zerbrechlich!

von Redaktion

Der ARD ist mit der Miniserie „Haus aus Glas“ außergewöhnliches Fernsehen geglückt

VON ASTRID KISTNER

Vielleicht waren die Feiertage nicht ganz so harmonisch wie gewünscht. Macht nichts. Schlimmer geht’s immer, wie die neue ARD-Miniserie „Haus aus Glas“ zeigt. In sechs atmosphärisch dicht erzählten Episoden durchleuchten Esther Bernstorff und ihre beiden Co-Autorinnen Annika Tepelmann und Annette Simon eine höchst zerbrechliche Familie. Zur Hochzeit der jüngsten Tochter Emily treffen sich deren Mitglieder und finden doch nicht zusammen. Verletzungen, Verdrängtes und Verschwiegenes sorgen für reichlich emotionalen Zündstoff in diesem außergewöhnlichen TV-Ereignis, das zum Nachdenken anregt.

Dabei wirkt auf den ersten Blick alles ganz wunderbar: ein prachtvolles Anwesen mit Pool, Hochzeitsdeko, geschmeidige Lockerheit, ein schwer verliebtes Paar. Schampus fließt in Strömen, als sich im Hause der wohlhabenden Unternehmerfamilie Schwarz die vier erwachsenen Kinder einfinden. Doch der schönste Tag im Leben gelingt nicht ohne Störgeräusche: Zu spät erscheint Lieblingsbruder Felix (Merlin Rose), der nach Jahren der Funkstille aus Kanada angereist ist. Die Schwestern der Braut (Stefanie Reinsperger und Morgane Ferru) fallen in alte Verhaltensmuster zurück (die eine störrisch, die andere harmoniesüchtig), und das Nesthäkchen Emily (Sarah Mahita) erleidet eine Panikattacke, als versehentlich die Alarmanlage der Villa ausgelöst wird. Als kleines Mädchen wurde sie entführt und vor der Übergabe des Lösegelds stundenlang in eine Kiste gesperrt. Seitdem kämpft sie mit dem Trauma und absorbiert die Aufmerksamkeit ihrer Mitmenschen.

Man muss kein Psychologe sein, um zu ahnen, dass an diesem schwer angeknacksten Familiengebilde die Eltern Barbara und Richard (großartig gespielt von Juliane Köhler und Götz Schubert) mitgebaut haben. Sie, eine Künstlerin, die ihre Träume nie wirklich verfolgt hat. Er, Chef einer Gießerei, um die es weitaus schlechter steht, als die Familie ahnt. Regisseur Alain Gsponer seziert diese Familie, die von einem großartigen Ensemble getragen wird, in den einzelnen Episoden und schafft damit für jede Figur Raum. Schuldgefühle und Süchte treten ans Tageslicht. Jeder trägt hier sein Päckchen und kämpft mit Altlasten. Das Haus aus Glas, in dem die Bewohner am Anfang noch reichlich undurchsichtig erscheinen, wird mit jeder Folge transparenter. Damit schmilzt auch die Distanz zu den Protagonisten – so abgehoben einem die Schwarz-Sippe auch erscheinen mag. Was passiert, wenn wir nicht ehrlich zueinander sind, wenn über Gefühle und das, wovor wir uns fürchten, nicht gesprochen wird? „Haus aus Glas“ sucht Antworten und das auf angenehm differenzierte Weise.

„Haus aus Glas“

ist ab sofort in der ARD-Mediathek zu sehen.

Der deutsch-französische Kulturkanal Arte zeigt die sechsteilige Serie von 4. Januar an, in der ARD startet sie am 9. Januar um 20.15 Uhr.

Das starke Ensemble trägt diese Produktion

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