„Wir stammen vom selben Schöpfer ab“

von Redaktion

Lenny Kravitz über sein Lied „Road to Freedom“, mit dem er Favorit bei den Golden Globes ist

Er gewann vier Grammys und ist seit Jahrzehnten einer der populärsten Sänger überhaupt. Dennoch beschwerte sich Lenny Kravitz unlängst, dass er für seine Erfolgskarriere nie genug gewürdigt worden sei: „Es stand mal geschrieben, ‚Wenn Lenny Kravitz weiß wäre, hätte man ihn längst zum Retter des Rock ’n’ Roll gekürt‘. Das fasst es zusammen!“ Immerhin hat der 59-Jährige jetzt die Chance, in Hollywood den Respekt zu erhalten, den er in der Musikbranche vermisst. Mit seinem Lied „Road to Freedom“, das er für den Film „Rustin“ komponiert hat, wurde er für einen Golden Globe nominiert und gilt als Favorit in der Sparte „Bester Filmsong“. Das Netflix-Drama erzählt von Bayard Rustin, einem Berater des Bürgerrechtlers Martin Luther King (1929-1968). An diesem Sonntag werden die Preise in Beverly Hills vergeben.

Wie kamen Sie auf die Idee zu dem Song?

Was braucht man, um inspiriert zu sein? Das Leben! Ich bin ein Beobachter. Ich beobachte, fahre meine Antenne aus und warte darauf, etwas zu empfangen. In diesem Fall habe ich mir allerdings als Inspiration einfach den Film angeschaut. Er hat mich unheimlich berührt.

Danach hatten Sie sofort eine Komposition im Kopf?

Nein. Nach dem Abspann bin ich erst einmal still sitzen geblieben und habe gewartet. Und dann hörte ich Sounds, einen Akkord in meinem Kopf. Ich habe mich ans Klavier gesetzt und gefragt: „Was fühlst du?“ Dann habe ich angefangen zu spielen.

Und schon war der Song fertig…

…so schnell nicht. Ich habe mir für den Text als Nächstes Ideen von Colman Domingo geholt, der Bayard Rustin spielt. Wir haben uns 2013 am Set von „The Butler“ kennengelernt und sind Freunde geworden. Ich wollte von ihm wissen, wie er die Essenz seiner Figur beschreiben würde. Er sagte: „Für Rustin ging es immer nur um all die Arbeit, die noch zu tun ist.“ Das habe ich in den Text eingebaut. In der Zeile „So viel Arbeit, die noch zu tun ist, um an diese Stelle auf der Straße zur Freiheit zu gelangen“.

Was genau bedeutet für Sie die „Road to Freedom“?

Der Kampf um Freiheit, der nie aufhört. Wir müssen uns als Menschen stets dafür einsetzen und auch für mehr Einigkeit. Ich habe als Kind Ende der Sechziger- und Anfang der Siebzigerjahre den Kampf um die Bürgerrechte in meiner eigenen Familie mitbekommen. Und ich habe beim Schreiben des Songs die Präsenz meiner Mutter und meiner Großeltern gespürt. Das hat den Druck auf mich erhöht, meiner Verantwortung gerecht zu werden.

Der Sound klingt retro. Wie erzeugt man das?

Mit der Hand. Ich habe verschiedene Instrumente selbst eingespielt: Bass, Drums, Gitarre und Orgel. Sie klingen zeitlos. Der Sound hat seine Wurzeln im Blues, aber vor allem in der Gospelmusik. Ich habe als Kind in einem Gospelchor gesungen und mich total darauf gefreut, nach langer Zeit wieder mit einem zusammenzuarbeiten.

Bayard Rustin ist kein Name in der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, den man gut kennt …

Ich habe ihn ehrlicherweise auch nicht gekannt. Es hat mich umgehauen, als ich von seiner Geschichte erfahren habe und davon, wie wichtig er an der Seite von Martin Luther King war. Ein Held, der nicht gewürdigt wurde – dessen Einsatz unter den Tisch gekehrt wurde. Genauso wie mein Onkel, nach dem ich benannt bin!

Der war auch Bürgerrechtler?

Nein. Mein Onkel Leonard Martin Kravitz war als junger Soldat im Koreakrieg und ist mit 19 oder 20 Jahren umgekommen. Aber zuerst hat er seinen ganzen Platoon (ein militärischer Zug aus etwa 40 Soldaten; Anm. d. Red.) gerettet. Doch eine Auszeichnung dafür hat er erst vor wenigen Jahren durch Präsident Obama bekommen: die Congressional Medal of Honor.

Wieso wurde er vorher nicht für seine Tapferkeit ausgezeichnet?

Weil er jüdisch war, hat man seine Heldentaten ignoriert. Deshalb ist es auch meine große Hoffnung, dass Leute aus diesem Film lernen, dass sie andere Menschen akzeptieren müssen – auch wenn diese anders sind als sie selbst. Wir sind alle einzigartig. Und wenn wir spirituell andere Ansichten haben, dann sollten wir diese Unterschiede feiern.

Sie haben vor 35 Jahren Ihr erstes Album herausgebracht. Wie sehr hat sich die Welt seither verändert?

Viel zu wenig! Vielleicht war ich in meinen Zwanzigern naiv, aber ich war überzeugt, dass die Welt heute viel weiter und besser sein würde, als sie es ist.

In Bezug worauf?

Bei all der neuen Technologie haben wir noch immer nicht das einfache Prinzip des friedlichen menschlichen Miteinanders begriffen. Dabei haben wir doch alle dieselben Wurzeln, wir stammen vom selben Schöpfer ab und sind alle Brüder und Schwestern. Oder, um meinen eigenen Song „Here to love“ zu zitieren: „Wir sind nicht hier, um zu werten, wir sind hier, um zu lieben. Es gibt keinen Platz für Hass!“ Nach dieser Maxime lebe ich.

Das Gespräch führte Patricia Danaher.

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