Ereignet hätte sich das Ganze als Dino-Duell. Zubin Mehta (87) mit einem Brahms-Symphonien-Zyklus inklusive Solo-Konzerte bei den Münchner Philharmonikern, parallel dazu Herbert Blomstedt (96) mit den Symphonien beim BR-Symphonieorchester – was für ein Aufeinandertreffen. Letzterer musste bekanntlich absagen, was man von Mehta kaum kennt. Der springt noch immer und gern für jüngere Kollegen ein.
Wackelig ist er auf den Beinen, wie sein langer, langsamer Gang zum Pult in der Isarphilharmonie zeigt. Doch sobald Mehta sitzt, ist er voll präsent. Sein Minimalismus beim Dirigieren täuscht. Der Routinier kann, wie im zweiten Satz des Doppelkonzerts, die Sache laufen lassen und Angebote aus dem wachsweich mitgehenden Orchester aufnehmen. An Scharnierstellen packt Mehta dann zu. Überraschend energisch sogar der Beginn des Stücks, zügig, durchaus streng – Brahms, das wird bei allen Beteiligten deutlich, komponiert hier herbe, teils sogar abweisende Dialogszenen. Lisa Batiashvhili (Violine) und Gautier Capuçon (Cello) sind dafür ideal: sie mit gebündelter, enormer Energie auch im Lyrischen, er mit ungewöhnlich dreidimensionalem Ton und subtilem Understatement, aus dem immer wieder Dramatik erwächst. Zwei echte Charakterkünstler.
Brahms’ dritte Symphonie nach der Pause startet da fast wie eine Erholungsphase. Manches klingt unscharf und diffus. Doch die Portion Wiener Lässigkeit, die der musikalisch dort sozialisierte Mehta mag, steht dem Stück nicht übel. Es ist ein Liebkosen der Partitur. Zärtlich, elegant, wohldosiert. Die Philharmoniker beschenken ihren Ehrendirigenten mit Soli und Mixturen aus der Musiksterneküche. Im dritten Satz scheint’s, als ob alle durch einen Partitur-Duftgarten flanieren. Umso größer die Energiezunahme im vierten Satz: Mehta begreift das Werk als Finalsymphonie, die in den letzten leisen Takten entspannt ausatmet. Ovationen und ein glücklicher Dirigent, der die Bühne mehrfach verlässt, um wieder den applausumtosten Gang ins Zentrum anzutreten. Das nächste Mal bitte mit Gehstock.