Neue Gesichter für den Klassiker

von Redaktion

Das Bayerische Staatsballett nahm Crankos „Onegin“ wieder auf

VON MALVE GRADINGER

Ach, die Liebe! Tatjana hat sich in Onegin verliebt. Der junge Dandy lässt sie kühl abblitzen. Ein gebrochenes Herz, bittere Tränen. Jahre später erkennt Onegin seinen Irrtum, wirft sich ihr zu Füßen. Nun ist es Tatjana, verheiratet mit Fürst Gremin, die ihn zurückweist. Puschkins Versroman „Eugen Onegin“ (1825-1833), realistisch-poetische Weltliteratur, inspirierte John Cranko 1965 (nachbearbeitet 1967) zu seinem „Onegin“ für das Stuttgarter Ballett. 1972 in München übernommen, ist dieses Liebesdrama nach fast fünf Jahren nun wieder im Nationaltheater zu sehen – und zwar mit rekord-brechend vielen Neubesetzungen in den noch folgenden Vorstellungen!

Jubel am vergangenen Samstag für das Ensemble und die vier Debüts: Madison Youngs Tatjana, Jakob Feyferliks Onegin und Julian MacKays Lenski. Alexey Dobikov, noch etwas vorsichtig und behutsam als Gremin, wirkt zuverlässig in all den kniffligen Hebungen. Genau die sind hier das Cranko-Markenzeichen. Gestützt, gehoben, getragen wird Elvina Ibraimova als Tatjanas Schwester Olga von ihrem Verlobten Lenski. Madison Young scheint den Haltegriff des stilistisch hocheleganten Feyferlik kaum zu brauchen: In der Traumszene und in der leidenschaftlichen letzten Begegnung mit Onegin fliegt die zart gebaute Young um ihren Partner, schwebt hoch oben über ihm – und nie eine Spur von Anstrengung.

Das Großartige an diesen Pas de deux: Sie sind nie zirzensisch, sind immer Ausdruck von Gefühlen, von Ängsten, von Hoffnungen, Kein Zweifel daran, dass die aktuelle Generation technisch top ist. Die Tanztechnik hat sich seit den Sechzigern enorm entwickelt. Aber Fakt ist auch, dass das Lebensgefühl heute ein anderes ist. Uns scheint, dass es den Tänzern nicht so recht gelingt, in die Tiefe ihrer Figuren einzutauchen. Julian MacKay bezaubert als strahlender Brautwerber Lenski. Im geforderten Duell mit Onegin – dieser hat mit seiner Braut Olga geflirtet – fehlt das Gefühl der Verzweiflung, der Unabänderlichkeit. Und auch Feyferlik findet erst gegen Ende ganz in diesen gereiften Onegin hinein. Aber Debüts sind ja dazu da, in Aufgaben hineinzuwachsen. Und der Zuschauer hat die Chance, genau dies zu verfolgen. Vor allem, da es kaum choreografischen Nachwuchs für Klassiker wie „Onegin“ gibt. Mit Tschaikowski live aus dem Graben, erstmals hier dirigiert von Vello Pähn, mit der immer noch attraktiven Ausstattung von Jürgen Rose und einem tanzhungrigen Staatsballett sollte man diesen „Onegin“ nicht verpassen.

Weitere Vorstellungen

heute, am 18. Januar sowie am 9. Februar, am 13. April und 19. Juli; Telefon 089/21 85 19 20.

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