„Unser Ziel ist das Publikum“, sagt Bernhard Maaz bei der Jahrespressekonferenz in der Alten Pinakothek. Er betont: „Museen sind offene Räume!“ Eigentlich sind das Banalitäten, aber der Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen hebt sie im Gespräch immer wieder auf die Ebene des Besonderen – weil ihn die zurzeit oft problematisierte Polarisierung der Gesellschaft umtreibt. Folgerichtig fällt dann auch häufig das Wort „Vermittlung“; man möchte „für alle“ da sein. Dass das gelingt, bestätigt das Münchner Haus gerade mit der fulminanten Ausstellung „Venezia 500<<“, die noch bis 4. Februar läuft.
Im Übrigen kann Maaz eine positive Bilanz für 2023 ziehen. Die Publikumszahlen seien „fast so hoch wie vor der Pandemie“. Für die Alte Pinakothek liegt man inklusive Veranstaltungen bei rund 350 000 Besuchen; Ähnliches gilt für die Pinakothek der Moderne (PDM) mit ihren vier Institutionen (Moderne Kunst, Grafik, Architektur, Design). Das Interesse an Werken aus dem 19. Jahrhundert sei ungebrochen, freut sich der Chef. Trotz der Sanierung der Neuen Pinakothek (NP) werden die mit Exponaten angereicherte Schack-Galerie und die NP-Dependance in der Alten Pinakothek gut frequentiert. Nach vollbrachtem Umzug stehe auf der Baustelle nun ein Kran, und für die Asbest-Befreiung gebe es einen Zwischenstand. Am wichtigsten für die Museumsleute ist ein Musterraum, in dem sie für die Zukunft die Wirkungen von Gläsern, Beleuchtungen und Farbwirkungen testen können. Die Wiedereröffnung der Neuen Pinakothek ist für Ende 2029 geplant (wir berichteten).
So gern die Staatsgemäldesammlungen mit großartigen Expositionen prunken – sei’s Venedig, sei’s Beckmann –, so schwierig ist die Finanzierung, zumal bei steigenden Kosten. Über 50 Prozent davon müssten durch Stiftungen, Freundeskreise und bürgerschaftliches Engagement von Münchner Familien und Firmen gedeckt werden, so Maaz. Damit wird automatisch Forschung, Restaurierung und Vermittlungsarbeit (direktes Gespräch, punktuelle Formate wie „All Eyes on“, Online-Angebote) mit unterstützt. Denn die Angebote der Pinakotheken und bayernweiten Zweigmuseen mögen zwar öfter einen Event-Charakter haben, sind jedoch stets auf Langzeitwirkung angelegt. Dabei gehen die Wissenschaften Hand in Hand mit den Empfindungen der Betrachtenden.
Das perfekte Beispiel für so ein Händchenhalten ist Rachel Ruysch (1664-1750). Dem heute vergessenen Superstar widmet die Alte Pinakothek im Spätherbst 2024 die erste (!) umfassende Präsentation (zusammen mit den Kollegen aus Toledo und Boston). Die Werke der Malerin, die durch ihren Vater ein naturwissenschaftliches Fundament hatte, waren rasend begehrt, die Preise so hoch, dass Ruysch nur wenige ihrer opulenten Stillleben pro Jahr produzieren musste. Für Maaz ist ihre Kunst, ihre steile Karriere plus elf Kinder und ihr Kontext „ein Faszinosum“. Das Brandhost-Museum nimmt sich an der Alten Pinakothek ein Beispiel und setzt ebenfalls auf Starkult. „Andy Warhol & Keith Haring – Party of Life“ wird ab 28. Juni sicher ein Renner. Ob man die beiden wie Ruysch irgendwann ignoriert und in ein paar hundert Jahren wiederentdecken wird? Die Sammlung Moderne Kunst in der PDM startet ins Jahr mit der Schau „Flatz – Something wrong with Physical Sculpture“. Alle Schaffensphasen des Wahlmünchners werden ab 9. Februar zu erleben sein. Der Aktionskünstler hat angekündigt, ein letztes Mal eine Performance durchzuführen: bei der Eröffnung am 8. Februar. Berühmt wurde er in jungen Jahren durch extremen Körpereinsatz. Im Sommer werden in der dritten Pinakothek diverse Sammlungen gewürdigt: von den Schätzen Otto van de Loos über die Fritz-Winter-Stiftung bis zur Written Art Collection. Da ist gestische Nachkriegskunst genauso zu erleben wie raffinierte Fotografie einst und jetzt (ab 14. Juni). Richtig frech wird’s ab 25. Oktober mit „Eccentric – Ästhetik der Freiheit“. Die Ausstellung trägt Kunstwerke unserer Gegenwart zusammen, die schon mal Skandal machten oder zumindest so manchem sauer aufstießen.
Zu den „Zukünften“, wie es im „Parcours“-Heft der Staatsgemäldesammlungen formuliert wird, zählen neben Ausstellungsplänen und Forschungsprojekten die Dauerthemen Digitalisierung und Provenienzforschung (Stichwort: Raubkunst). Einige Werke seien bereit für die Rückgabe, erklärt Bernhard Maaz, wenn die Erben ihr Verhältnis untereinander geklärt hätten. Beim prominenten Fall von Picassos „Madame Soler“ sind das Museumsteam und das Kunstministerium überzeugt vom Ergebnis der eigenen Recherche (im Internet einsehbar) und zweier unabhängiger Gutachter. Das Gemälde sei nicht „restitutionsfähig“.