Noch immer spürt man das Erstaunen bei Simone Bloch – selbst im Video. „Ich hatte keine Ahnung, was für ein Rebell mein Vater war.“ Ihr Vater – das ist der jüdische Jurist Curt Bloch, der 1933 auf dem Rad vor den Nazis in die Niederlande floh, wo er überlebte. Seine Tochter sitzt an diesem Donnerstag in New York und ist ins Literaturhaus zugeschaltet. Dabei wäre die 64-Jährige sehr gerne selbst nach München gekommen, allein das Wetter verhinderte den Flug. Denn an diesem Abend werden zum ersten Mal Curt Blochs Gedichte öffentlich vorgestellt. Robert Dölle vom Staatsschauspiel liest sie unprätentiös und herrlich pointiert.
Im Versteck in Enschede, zwischen 1943 und 1945, hat Curt Bloch einmal die Woche ein Magazin in Postkartengröße vollendet: „Het Onderwater Cabaret“ nannte der Untergetauchte seine Arbeit. 95 Ausgaben dieses Unterwasser-Kabaretts sind erschienen. Bloch schrieb meist endgereimte Gedichte: hellsichtig, sarkastisch, aufrüttelnd, politisch, mal herrlich albern verspielt, dann wieder hoch emotional. Ergänzt wurden sie durch Schmähreime und erfundene Reportagen von der Front. „Het Onderwater Cabaret“ ist ein historisch und literarisch spannender Schatz; über den emotionalen Wert für die Familie lässt sich nur spekulieren. Seine Witwe Ruth (98) und seine Tochter Simone haben nun mit dem Grafiker Thilo von Debschitz die Internetseite www.curt-bloch.com für die Publikation vorbereitet, im „SZ-Magazin“ wurden einige Gedichte erstmals veröffentlicht. Die Journalistin Lara Fritzsche und ihr Kollege Lars Reichardt plaudern an diesem Abend informativ und kurzweilig mit Simone Bloch, die schon einen neuen Termin für einen Deutschlandbesuch hat: Am 9. Februar eröffnet im Jüdischen Museum Berlin die Schau „Mein Dichten ist wie Dynamit“ über das Schreiben ihres Vaters. Denn die Blochs haben dem Haus das „Unterwasser-Kabarett“ geschenkt.