Ganz großes Kino

von Redaktion

Im Münchner Prinzregententheater wurde der Bayerische Filmpreis verliehen

VON KATJA KRAFT

Ein Déjà-vu? So scheint’s am Freitagabend im Münchner Prinzregententheater. Denn genau vor 17 Jahren ist Hannah Herzsprung schon einmal auf diese Bühne gestiegen, um den Pierrot aus Porzellan entgegenzunehmen. Als beste Nachwuchsschauspielerin in Chris Kraus’ Drama „Vier Minuten“ wurde sie damals mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet. Jetzt ist sie zurück, mit derselben ehrlichen Freude im Gesicht wie 2007. Denn an diesem Abend gewinnt sie als beste Schauspielerin – für Chris Kraus’ Fortsetzung von damals, „15 Jahre“. Das gab’s noch nie beim Bayerischen Filmpreis. „Ihr Spiel trifft uns ungebremst voll ins Herz“, urteilt die Jury. Einer, der das genauso sieht, sorgt für den ersten Unterhaltungshöhepunkt des Abends. Regisseur Michael „Bully“ Herbig kommt als Laudator mit Kaffeemaschine auf die Bühne. Denn der kannte Herzsprung schon, als die noch vom großen Film geträumt hat, als Praktikantin am Set seiner „Bullyparade“. „Du warst so fleißig und so präsent. Und du hast mir immer den Kaffee gebracht. Ich hab dir damals gesagt: Eines Tages bringe ich dir den Kaffee.“ Wenn nicht jetzt, wann dann? Und weil der Bully ein Mann des Kinos ist, ruft er allen zu: „Hannas Spiel müsst ihr euch anschauen, denn das ist mind-blowing.“

Was einen ebenfalls umhaut: Rainer Kaufmanns Film „Weißt du noch“. Martin Rauhaus wird deshalb völlig zurecht mit dem Preis für das beste Drehbuch ausgezeichnet. Die beiden Hauptdarsteller seines zu Herzen gehenden Kammerspiels, Senta Berger und Günther Maria Halmer, sind gekommen, um zu schwärmen: „Wir haben dein Buch gespielt als wär’s eine Partitur. Wir durften jede Note auskosten und mussten gar nichts verändern“, formuliert es Berger. Und Halmer: „Man kann sich in die Figuren von Martin Rauhaus hineinfühlen wie in einen Maßanzug. Ich glaube, dass dieses Drehbuch noch 20 Jahre Gültigkeit hat – wenn es denn noch Paare gibt in 20 Jahren, die mehr als 10 Jahre zusammen durchhalten.“ Rauhaus ist sichtlich gerührt: „Es war mir wirklich eine große Ehre, was man irgendwie gar nicht mehr sagt, aber so war das.“

Viele herzliche Worte fallen an diesem Abend. Dass Veronica Ferres nicht nur vor der Kamera und als Produzentin sondern auch in Sachen Dankesrede Perfektionistin ist, beweist sie bei ihrer Ansprache, nachdem sie den Preis des Ministerpräsidenten entgegennehmen durfte. Der Mikrofonständer ist zu tief eingestellt, zieht sie eben fix die Schuhe aus. Und legt dann mit einem mitreißenden Appell los, an sich selbst zu glauben. „Alles ist möglich war das Lebensmotto meiner Mutter. Dass ich heute hier stehe, habe ich den großen Träumen zu verdanken, die ich schon als kleines Mädchen hatte.“ Doch sie habe sich nie in ihren Träumen verloren, betont die 58-Jährige. Wie oft habe sie gehört „Du bist zu groß, zu dick, zu rund, zu breit, zu schwach, zu emotional – überhaupt bist du von allem zu viel.“ Doch sie? Sagte „Nö. Meine Träume habe ich mir nie nehmen lassen.“ Ferres widmet ihren Preis allen Frauen, die sich gegenseitig unterstützen und einander zu Höchstleistungen motivieren. Jubel im Saal. Und lakonischer Schlusssatz von Ferres in Richtung von Markus Söder, der entscheidet, wer den Preis des Ministerpräsidenten erhält: „Sie haben eine gute Wahl getroffen, ich mach was draus.“

Und dann steht plötzlich Christoph aus der „Sendung mit der Maus“ in obligatorischem grünen Pulli auf der Bühne. Um Tobi Krell alias Checker Tobi und die Produzenten der megaherz GmbH des Films „Checker Tobi und die Reise zu den fliegenden Flüssen“ zu ehren. Doch für sie ist es nicht nur ein Moment der Freude. Der Regisseur und Miterfinder des Checker-Tobi-Formats, Johannes Honsel, ist überraschend verstorben. Dass der Film den Bayerischen Filmpreis bekommen wird, hat er noch erfahren. Und sich, so erinnern sich die drei, unheimlich gefreut. Sie widmen die Porzellanfigur ihrem engen Freund.

Nicht leicht, von diesem bedrückenden Moment auf Entertainment umzuschwenken. Doch Tijan Njie und Elan Ben Ali, Hauptdarsteller von Simon Verhoevens „Girl you know it’s true“, erobern die Herzen des Publikums im Sturm. In der Komödie spielen sie das Pop-Duo Milli Vanilli – und sorgen mit dem echten Milli-Vanilli-Mitglied Fab Morvan für einen besonderen Live-Moment mit der Performance von „Girl you know it’s true“.

Die wichtigste Botschaft fällt kurz vor Schluss. Auf angenehm unpathetische, sondern klipp und klare Weise erinnert die als beste Nachwuchsschauspielerin ausgezeichnete Bayan Layla an ihre Schwester. Die wie sie aus Syrien vor einem Krieg geflohen ist, für den sie beide nichts können. Und die heute, mit 32, als Mutter zweier Kinder, in einer Sprache, die sie sich hierzulande draufgeschafft hat, eine Ausbildung zur Bäckerin macht. „Dafür bekommt meine Schwester keinen Preis.“ Mit ihrer Würdigung macht Layla klar, dass Schluss sein muss mit den abwertenden Reden über Menschen, die zu uns kommen. „Es gibt keinen Prototyp einer geflüchteten Person. Wir sind keine Superhelden, wir sind Menschen. Aber ich finde, dass alle Menschen ein Recht haben auf ein Leben in Freiheit – unabhängig von ihren kleinen oder großen Erfolgen.“

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